Längst nicht alles eitel Sonnenschein in Zagreb: Bei Landwirtschaft, Infrastruktur und Energie hat Serbien die Nase vorn und lockt Investoren.

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Fast ein Jahr ist es her, dass Kroatien der EU beigetreten ist. Die Zwischenbilanz ist durchwachsen: "Keinesfalls von einem Investitionsboom" will Roman Rauch vom österreichischen Außenwirtschaftscenter in Zagreb sprechen. Aus der Ferienimmobilienbranche hört man zwar von einer steigenden Nachfrage, andere Immobiliensektoren befinden sich aber eher im Sinkflug: Ein Minus von 14,4 Prozent verzeichnete Eurostat etwa bei den Hauspreisen in Kroatien im vierten Quartal des Vorjahres, was das stärkste Minus innerhalb der Eurozone war.

Vorerst kein Boom

"Ein Immobilienboom ist bisher ausgeblieben", bestätigt auch Daniel Gros, Experte für den Westbalkan bei der Wiener Anwaltskanzlei Lansky, Ganzger und Partner. Mit dem EU-Beitritt sei zwar ein großer Schritt vollzogen worden, doch im Immobilienbereich gebe es Aufholbedarf.

Eines der größten Probleme: Zehntausende kroatische Häuser wurden ohne gültige Baugenehmigung errichtet. 2012, rechtzeitig vor dem EU-Beitritt, wurde daher ein Gesetz erlassen, das die nachträgliche Legalisierung von Gebäuden regelte. 800.000 solcher Anträge wurden bis zur Deadline im Vorjahr gestellt, so Gros. Kroatien setze nun auf eine schnelle Bearbeitung, um eine Stabilität am Immobilienmarkt zu erreichen. "Dann würde ich ausländischen Investoren raten, in Kroatien zuzuschlagen", sagt Gros. Dann gebe es nämlich eine Grundbuch- und Rechtssicherheit.

Aufholbedarf beim Nachbarn

So weit ist Serbien noch nicht. Verfahren und Vollstreckungen würden hier schleppend vonstattengehen. Der Erhalt von Baugenehmigungen etwa könne zwei bis drei Jahre dauern, was Investoren abschrecke. Auch Rechtssicherheit sei in Serbien noch nicht im selben Maß wie in Kroatien vorhanden - der Harmonisierung mit dem EU-Recht sei Dank.

Realistische Bemühungen gebe es aber bei Grundbuch und Kataster, die oft nicht die tatsächliche Eigentumssituation widerspiegeln. Als erster Schritt soll nun das Grundbuch in den Immobilienkataster übernommen und einer eigenen Behörde unterstellt werden. Gros hofft auf eine Klärung der Eigentumsverhältnisse als nächsten Schritt.

460 österreichische Firmen in Serbien

Knapp 460 heimische Unternehmen sind laut Wirtschaftskammer momentan am serbischen Markt unterwegs. Bena, ein Anbieter von servicierten Büros, ist einer davon. Seit 2010 gab es Pläne für die Expansion, nach einer Analyse fiel die Wahl schließlich "aufgrund seines Wachstums- und Entwicklungspotenzials" auf Serbien, erzählt Geschäftsführer Alexander Varendorff.

Im Juni wird der zweite Standort eröffnet - obwohl die Leerstandsrate bei Büroflächen 2013 bei über 20 Prozent lag. Im Class-A-Markt, in dem die beiden Bürogebäude mit insgesamt 1500 Quadratmeter Fläche mitspielen, gebe es aber nur einen "sehr engen Markt", so Varendorff.

Beide Objekte in der Innenstadt sind langfristig gepachtet, Entwicklung und Kauf von Objekten plane man erst später. Ein Überblick über die Preise am Belgrader Immobilienmarkt sei nicht leicht zu erhalten: Es gebe nur wenige Transaktionen im Jahr. Außerdem seien viele Eigentümer nicht unter Druck, verkaufen zu müssen, sagt Varendorff, und würden deshalb "Fantasiepreise" verlangen: Jeder warte auf den nächsten Boom. Besonders der in erreichbare Nähe gerückte EU-Beitritt hat laut Gros vielen Eigentümern nach Jahren der Krise den Glauben an einen Aufschwung zurückgegeben.

Investitionspotenzial

Nach Kroatien zieht es Bena vorerst nicht: Die zu geringe Größe - die Hauptstadt Zagreb hat knapp 800.000 Einwohner - sei ein Problem, und internationale Investoren würden sich momentan eher zurückziehen, sagt Varendorff.

Das bestätigt Gros teilweise. In einigen Bereichen - Landwirtschaft, Energie und Infrastruktur - sei Serbien tatsächlich interessanter. "Speziell im Immobilienmarkt sehe ich das aber nicht so", sagt er wiederum. Besonders am Hotelmarkt gebe es Potenzial.

Auch Otmar Michaeler von Falkensteiner sieht dieses Potenzial - besonders, wenn in Themen investiert werde, die "über den klassischen Meerurlaub hinausgehen". Die Falkensteiner-Gruppe ist schon seit 2001 am kroatischen Markt aktiv. Serbien stecke diesbezüglich zwar noch "in den Kinderschuhen", doch auch hier ist das Unternehmen unterwegs - und fischt in einem ähnlichen Teich wie Bena: Im Belgrader Businessviertel baute man mit einem Co-Investor eine Kombination aus Hotel und zwölfstöckigem Büroturm.

EU-Beitritt als Fernziel

Eine Aufnahme in die EU könne Serbien einen Aufschwung verleihen, glaubt Michaeler. Dass der EU-Beitritt wirklich noch als Erfolgsgarant für internationale Investoren gilt, bezweifelt hingegen Varendorff. Ob mit oder ohne EU - es gehe um Rechts- und Behördensicherheit, Transparenz und Planbarkeit. Der Weg sei jedenfalls lang, so Gros: "Kroatien ist nicht umsonst schon jetzt in der EU, und Serbien frühestens 2020." Die neue serbische Regierung habe nun aber die Chance, mit starker Mehrheit im Rücken Reformprozesse durchzuführen. (Franziska Zoidl, DER STANDARD, 17.5.2014)