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Informationen sind nicht erst seit dem Internet ein Wirtschaftsfaktor.

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Der Telegraf ließ die Preisunterschiede zwischen Liverpool und New York schwinden.

Grafik: Der Standard

Steinwender analysiert Handel und Daten.

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Wien - Was bringt Kommunikation? Wenn neue Technologien zu einer Flut und Schnelligkeit von Information führen, was haben Unternehmen und Konsumenten davon? Die Frage ist in Zeiten von Internet und Big Data aktueller denn je. Die österreichische Ökonomin Claudia Steinwender, die ab 2015 als Assistant-Professor an der Harvard Business School forschen wird, hat in einer Studie die Auswirkung von Information auf den Handel analysiert. Dafür hat sie sich die Einführung des transatlantischen Telegrafen angesehen, der ab dem 28. Juli 1866 die USA und Großbritannien fast in Echtzeit miteinander verband.

Um den Nutzen des Telegrafen einzuschätzen, analysierte Steinwender den Markt für Baumwolle. Damals war diese das quer über den Atlantik meistgehandelte Gut. Ein Drittel der Importe Großbritanniens etwa bestand aus Baumwolle, wichtigster Lieferant waren die USA. Bis 1866 brachten die Schiffe, die auch die Baumwolle transportierten, die Informationen über Nachfrage, Lagerbestände und die Ernte. Um die knapp 5500 Kilometer zurückzulegen, brauchten sie rund neun Tage.

"Viktorianisches Internet"

Die Baumwollhändler mussten also ihre Entscheidungen auf Basis relativ alter Informationen treffen. Die Preise in New York und Liverpool konnten stark voneinander abweichen, weil etwa die Nachricht über eine Dürre erst über den Atlantik reisen musste. Als die Informationen in Echtzeit den Ozean überquerten, schrumpfte der Preisunterschied - er machte fast nur noch die Transportkosten aus. "Im Jahr vor dem Telegrafen war die Preissetzung für Baumwolle noch viel volatiler", erklärt Steinwender.

Der schnelle Informationsfluss erhöhte den Wohlstand enorm. Laut Steinwenders Berechnungen kam er der Abschaffung eines Zolls von sechs Prozent gleich. Zum Vergleich: Beim aktuell verhandelten US-EU-Freihandelsabkommen sollen auch die verbleibenden Zölle fallen. Sie machen derzeit im Schnitt weniger als drei Prozent aus.

Lediglich für die Händler war die Information kein Segen. Sie sahen sich fortan mit einem noch intensiveren Wettbewerb konfrontiert. Das erinnert auch an die aktuelle Situation im Einzelhandel. Tatsächlich bezeichnet die Forscherin den Telegrafen als "viktorianisches Internet".

Nachfrage ändert sich schneller

Geht es nach Steinwender, könnten Technologien wie Big Data, das Schürfen in den Bergen von Daten, die Konsumenten beim Online-Shopping hinterlassen, ebenso große Einflüsse haben. Längst können etwa Einzelhandelsketten wie Walmart in Echtzeit das Kaufverhalten ihrer Kunden analysieren, und auch soziale Netzwerke wie Twitter geben Aufschluss über Trends und Geschmäcker. "Die Nachfrage vonseiten der Konsumenten ändert sich heute viel schneller, gleichzeitig haben wir auch dank der Smartphones viel mehr Echtzeitdaten."

Deren Auswirkungen wird Steinwender ab Juli 2015 in der Strategieabteilung an der Harvard Business School erforschen. Ihre Studie zum Nutzen von Informationsvorsprung ist bei Topuniversitäten gut angekommen. Zuletzt hat auch die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) die Arbeit mit dem Klaus-Liebscher-Preis ausgezeichnet. Steinwender arbeitet aktuell an der London School of Economics.

Lassen sich aus der Studie auch Schlüsse für den Turbohandel an den Börsen ziehen? In den vergangenen zehn Jahren haben Hochfrequenzhändler, die in Millisekunden Millionen an den Aktien-, Rohstoff- und Anleihenmärkten umsetzen können, den Handel revolutioniert. Für Steinwender besteht aber ein zentraler Unterschied, weil es sich bei Baumwolle um ein wirkliches Gut handelt, das transportiert werden muss. Daher sind Informationsgewinne bei Gütern auch so wertvoll. (Lukas Sustala, DER STANDARD, 17.5.2014)