Der Ruf nach mehr Männern im Kindergarten ist so alt wie die Klage über die "Feminisierung " der Bildung. Männliche Kindergartenpädagogen setzen Impulse, von denen auch Mädchen profitieren.

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Es gibt Studienobjekte, die kann man nicht erforschen - weil es sie einfach nicht gibt. Männer in Kindergärten zum Beispiel. Die machen in  Österreich gerade einmal 1,5 Prozent des pädagogischen Personals in Kindertagesstätten aus. Das Land liegt im Trend: Männliche Kindergartenpädagogen sind weltweit so selten, dass es bislang praktisch kein empirisches Material zur Frage gab, ob und wie sie sich in ihrem pädagogischen Handeln von  weiblichen Fachkräften unterscheiden. Dabei sind Fakten zu dieser Frage ziemlich gefragt - um den pädagogischen Einfluss des Mannes auf das Kinde rankt sich nämlich manch hartnäckiger Mythos.

"Weder Heilsbringer noch Katastrophe"

Eine deutsche Studie hat nun erstmals über mehrere Jahre systematisch untersucht, wie Frauen und Männer in Kindergärten handeln. Die an der Evangelischen Hochschule Dresden (EHS) angesiedelte Untersuchung räumt gleich mit mehreren Fehlannahmen auf: "Männer im Kindergarten sind weder Heilsbringer noch Katastrophe", fasst der Psychologe Holger Brandes zusammen. Brandes, Professor für Psychologie und Pädagogik und zudem Rektor der EHS, hat die Studie geleitet.

Männer brächten in Kindertagesstätten nicht automatisch eine neue Qualität, denn: "Unter allen fachlichen Gesichtspunkten unterscheiden sie sich nicht von den Frauen". Umgekehrt heißt das aber auch, dass Männer ihren Kolleginnen fachlich um nichts nachstehen. "Das kann ein Effekt davon sein, dass die Ausbildung gut ist und dass Männer und Frauen mit dem gleichen Niveau in den Beruf kommen", sagt Brandes.

Nicht weniger empathisch

Auch ziehe es vermutlich eher Männer in den Erzieherberuf, die reflektiert mit Geschlechterstereotypen umgehen. Entgegen aller Klischees unterscheiden sich Männer der Studie zufolge jedenfalls nicht von ihren weiblichen Kolleginnen, wenn es um Feinfühligkeit, Empathie und die Fähigkeit geht, mit Kindern in Dialog zu treten und ihre Interessen aufzugreifen.

Für Österreich, das als einziges Land in Europa seine Kindergartenpädagogen nicht an Fachhochschulen oder Universitäten ausbildet, gibt es bislang keine vergleichbaren Daten. Allerdings kam der Innsbrucker Psychologe Josef Aigner schon 2010 in einer Untersuchung zu männlichem Verhalten im Kindergarten zum Schluss, dass sowohl Buben als auch Mädchen ganz besonders von männlichen Betreuern profitieren: Wenn Kinder nämlich ausschließlich von Frauen betreut werden, gebe man ihnen ein fragwürdiges Männerbild mit auf den Weg. Weil Kinder so den Eindruck bekommen, dass die Sorge um sie ausschließlich Frauensache sei.

Der fürsorgliche Mann als Normalfall

Das sagt auch Holger Brandes. Der den Ruf nach mehr Männern in Kindergärten schon deshalb für berechtigt hält. Es gehe darum, dass Kinder den betreuenden, fürsoglichen und erziehenden Mann als etwas Normales und Selbstverständliches empfinden. Das erweitere die Rollenbilder sowohl von Buben als auch von Mädchen und eröffne ihnen neue Handlungspersektiven. Hier habe sich in den letzten Jahren viel getan: Noch in den 80er-Jahren sagten schließlich manche Psychoanalytiker, dass erwachsene Männer, die sich mit Kleinkindern abgeben, nicht normal sind.

Die deutsche Studie zeigt aber auch, wo die feinen Unterschiede liegen: So brächten Männer sehr wohl gewisse Themen und Inhalte in den Kindergarten ein, die dort bislang weniger präsent waren. Und wenn sich im Spielregal zu Perlen und Buntstiften auch Fußbälle und Werkzeug gesellen, dürfte das mit Sicherheit auch manches Mädchen freuen. (Lisa Mayr, DER STANDARD, 17.5.2014)