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Der Wiener Richter Gustav Schneider hält dieser Forderung die Lehre von der Gewaltenteilung entgegen (Standard, 19. 8.). Er argumentiert, dass in den letzten Jahren die Trennung zwischen den Staatsgewalten Parlament und Regierung/Verwaltung aufgehoben worden sei. Um so wichtiger sei daher heute in der Gegenwart die Unabhängigkeit der Justiz als Garant individueller Freiheit, die von rechtlichem und faktischem Einfluss der Regierung und ihrer Bürokratie freigehalten werden müsse. Schneider beklagt das "Zurechtstutzen der Justiz" durch die Regierung abseits medialer Wahrnehmungen. Er begründet seine Kritik mit dem Recht des Justizministers zur Ernennung von Richtern und meint, der Staatsbürger habe es mit Richtern zu tun, die in ihrem Berufsverlauf vom Wohlwollen eines Ministers und dessen Bürokratie abhängig sind.
Diese Einschätzung greift zu kurz und führt in die Irre. Sie geht von einem allzu willfährigen Richterbild aus und verschweigt außerdem, dass die Richterschaft in Form von Personal^senaten bei der Bestellung und Ernennung von Richtern in entscheidender Weise mitbestimmen kann. Die seit langem praktizierte richterliche Selbstrekrutierung ist kein "Stein der Weisen". Sie hat gerade in der österreichischen Nachkriegszeit lange Zeit notwendige Systemkorrekturen behindert und die Umsetzung von Reformen verlangsamt.
Heinrich Keller hatte in den Siebzigerjahren als Sekretär des Justizministers Christian Broda in konsequenter Weise die Rolle der "Justiz als Staat im Staate" infrage gestellt und sich zu Recht für die Mitbestimmung der rechtsuchenden Bevölkerung bei der Bestellung und Ernennung von Richtern ausgesprochen. Seine Forderung nach Richterwahlausschüssen, die in ihrer Zusammensetzung aus einem Drittel Parlamentarier, einem Drittel Richter und einem Drittel Anwälte zusammengesetzt sind, gewinnt im Licht der aktuellen Debatte besondere Bedeutung.