Salzburg - Der Mut, ein so rares Werk wie die "Bakchantinnen" von Egon Wellesz bei den Festspielen (wenn auch nur konzertant) zu präsentieren, ist nicht hoch genug einzuschätzen. Es gibt Gelegenheit zu hören, was für ein Komponist der große Musikwissenschafter Wellesz (1885-1974) war. Mit dieser Wiedergabe hat man dem Komponisten jedoch nicht viel Gutes getan.

Das lag in erster Linie am Zustand des Chores, dem in diesem Werk, wie im antiken Drama, eine Hauptrolle zukommt. Die Frauen des Slowakischen Philharmonischen Chores Bratislava, Vermittlerinnen von Inhalt und Stimmung, sangen unkontrolliert, inhomogen und bar jeder Textverständlichkeit.

Die hochdramatischen Passagen gerieten laut und schrill, die geheimnisvolleren leisen Sätze zerflatterten wegen der fehlenden Konsonantenbildung in unsicher sitzende Einzelstimmen. Marc Albrecht, der das Radio Symphonieorchester Wien zu ausdrucksstarkem hochdifferenziertem Musizieren anstachelte, konnte nicht hilfreich eingreifen - für eine Festspielaufführung war dieser Chor einfach nicht gut genug.

Worum geht's in den Bakchantinnen? Der Gott Dionysos, Sohn des Zeus und der Sterblichen Semele, ist sauer auf seine Tante Agave. Agave hat Schwester Semele, aus Neid auf deren gottgezeugten Nachwuchs, einst in den Tod gehetzt. Jetzt rächt sich Dionysos, in dem er die Königin Agave und die Frauen von Theben zu sinnestaumelnden Jüngerinnen - eben zu "Bakchantinnen" - macht. Agaves Sohn Pentheus, der Dionysos außerdem stur die Gefolgschaft verweigert, wird von der Mutter ermordet, weil sie ihn im Rausch für ein Tier hält.

Die Solisten Roman Trekel (Dionysos), Georg Zeppenfeld (Teiresias), László Polgár (Kadmos), Raymond Very (Pentheus) und Eva-Maria Westbroek (Königin Agave) boten einheitlich qualitätsvolle Leistungen. Georg Zeppenfeld als Seher Teiresias vermittelte in seinen expressionistisch flirrenden Passagen souverän visionäre Größe. Die Pianissimi von Eva-Maria Westbroeks Agave, wenn sie zu erkennen beginnt, was sie angerichtet hat, gehören zu den eindrucksvollsten Augenblicken der Aufführung.

Zu den Werken mit "ästhetischem Überschuss" - so Peter Ruzicka - kann man, bei allem Respekt vor dem Exilkomponisten, auch die Bakchantinnen zählen. Der Taumel zwischen Wagnerschen und Straussschen Klängen, der exzessive Einsatz des Schlagzeugs und des Blechs und der flirrende Streichersatz haben immerhin hypnotischen Reiz. (DER STANDARD, Printausgabe, 26.8.2003)