Es schaut blöd aus für Elmar Lichtenegger. Eine Urinprobe, einige Moleküle verbotenes Norandrosteron - und schon könnte es mit der politischen und sportlichen Karriere vorbei sein. Der Kärntner Elmar Lichtenegger galt bisher als Musterbeispiel einer Doppelbegabung. Der rare Fall eines schnellen weißen Mannes - Lichtenegger ist 60-m-Hürden-Hallen-Vizeeuropameister und Olympia-Semifinalist über 110 m Hürden. Der verliebte und heiratswillige Junggeselle (29; Hobbys: Shopping und Internet) folgte am 5. März 2003 dem Parteichef Herbert Haupt als FPÖ-Parlamentarier nach. Der Internationale Leichtathletik-Verband (IAAF) suspendierte ihn bis auf weiteres. Da die IAAF nicht feststellt, woher das karrierefressende Ding in Lichteneggers Körper kommt, verantwortet sich der Parlamentarier und Zeitsoldat im Heeressportzentrum damit, ein Nahrungsergänzungsmittel namens "Mega Ribosyn 1100" habe eine Verunreinigung, ein Prohormon, enthalten.

Da Lichtenegger das Präparat vom IOC-Dopinglabor in Seibersdorf prüfen ließ und drei österreichischen WM-Ruderern das gleiche Unglück widerfuhr, zeiht Lichtenegger sich selber der Unschuld und den Hersteller der Schuld.

Die Affäre ist eine Frage von Treu und Glauben. Der Vorsitzende der Doping-Kontrollkommission beim Bundeskanzleramt, Karlheinz Demel, meint verwirrenderweise, die Grenzwertüberschreitung sei gering, es könne sich nicht um "systematisches Doping handeln". Der Schluss ist naiv und irreführend, und Demel weiß das. Wer systematisch und kenntnisreich mithilfe von Experten und Ärzten dopt, hat im Fall einer (wettkampfnahen) Kontrolle alle Werte dort, wo sie sein sollen.

Das heißt nicht, dass Lichtenegger dopt. Die Leichtathletik und gerade die Schnellkraftsportarten sind (auch nach dem Ende der DDR oder vielleicht gerade deshalb) verseucht mit Sportlern, die ihre "natürlichen" Ressourcen mit "chemischen" Treibstoffen anreichern. Vielleicht fiel Lichtenegger tatsächlich einer verunreinigten Packung zum Opfer. Österreichs Skiverband hat wegen der bekannt riskanten, vielfach schlampig hergestellten Nahrungsergänzungsmittel eine Expertin mit der Überwachung dieser Mittel beauftragt. Um einen Skandal zu vermeiden, wie ihn Lichtenegger erleidet.

Sport und Politik leben von ihrem Ruf der "Sauberkeit". Auch wenn die "Wirklichkeit" ganz anders aussehen mag, sie zählt nicht, solange die Außenansicht keine Löcher aufweist. Und wer kann schon sagen, was die Wirklichkeit ist? Lichtenegger wird dem Rufschaden durch das Nahrungsergänzungsmittel lange nicht mehr entkommen. Wenn er dadurch den Aberglauben vieler Menschen erschütterte, solche Mittelchen nehmen zu müssen, geht er als Saubermann in die Geschichte ein. (Johann Skocek, DER STANDARD PRINTAUSGABE 26.8. 2003)