„Anschnallen und festhalten“
Diesen Rat hätte man Anleiheninvestoren vor knapp einem halben Jahr geben müssen. Seit Februar bewegen sich die Renditen an den Anleihenmärkten der westlichen Welt beinahe schon so heftig auf und ab wie bei den Aktienmärkten. Im Vorfeld des Irak-Krieges flüchteten die Investoren in Anleihen; und die Rendite der zehnjährigen Benchmark-Staatsanleihe in den USA fiel auf etwa 3,6 Prozent. Dann stieg die Rendite wieder knapp über 4 Prozent, um anschließend bis Mitte Juni auf das 45-Jahre-Rekordtief von 3,1 Prozent nachzugeben. Ende Juli ließen einige verklausulierte, zudem auch im bezug auf andere FED-Mitglieder (Ben Bernanke!) widersprüchliche Aussagen Greenspans die US-Renditen auf rund 4,5 Prozent hochschnellen. Derzeit notiert der zehnjährige US-Treasury-Bond wieder bei rund 4,41 Prozent, und wie es scheint hat sich die Lage einigermaßen beruhigt und vorerst die Irrfahrt der Renditen nachgelassen. Doch es bleibt nicht nur die Frage nach dem oder den Auslöser der heftigen Reaktionen, sondern auch dem Hintergrund und Zweck der Irritationen.
Renditen nach wie vor tief
Vom Prinzip her ist das aktuell um 130 Basispunkte, also 1,3 Prozent höhere Renditeniveau als noch zuvor im rekordtiefen Juni sicher noch nicht als konjunkturschädlich zu bezeichnen. Die Botschaft der internationalen Märkte – auch in Japan kam es zuletzt durch die Hoffnung auf die Beendigung der langjährigen, deflationären wirtschaftlichen Durststrecke zu einem rasanten Anziehen der über viele Jahre nahe der Nulllinie befindlichen Renditekurve – aber muß die Währungshüter in Washington aus einem anderen Grund in Unruhe versetzen: In den höheren Renditen spiegelt sich nämlich mehr als die Hoffnung auf eine verbesserte Verzinsung des eingesetzten Kapitals der Investoren. Sie wäre im Zuge einer Konjunkturerholung keine Überraschung.
Anleger wollen Inflationsprämie
Auch das inzwischen auf rund viereinhalb Prozent des Bruttoinlandsprodukts angeschwollene Haushaltsdefizit der amerikanischen Regierung und die daraus folgende höhere Inanspruchnahme des Kapitalmarktes vermögen den Renditesprung nicht gänzlich zu erklären. Die Märkte haben vielmehr begriffen, daß die Federal Reserve auf dem besten Wege ist, zu einer Politik zurückzukehren, die seit gut zwei Jahrzehnten als untauglich und sogar gefährlich gilt: der Inflationierung der Wirtschaft in der Hoffnung, Wachstum zu generieren.
Dabei lehrt die Statistik und Historie, daß Inflation keine Garantie für höheres Wachstum darstellt. In der Praxis würde die US-Notenbank den besten Beitrag für Wachstum und Beschäftigung liefern, wenn sie ihre Bemühungen nicht auf die Glättung von Konjunkturschwankungen, sondern auf die Wahrung stabiler Preise konzentrierte. Jedenfalls verlangen die Anleger offensichtlich schon jetzt eine höhere Inflationsprämie als Teil der Anleiherendite.
Denkmal Greenspan mit Kratzern
Alan Greenspans augenblickliche Position ist sicherlich alles andere als einfach. Zum einen muß er die Zinsen tief halten, um die weiterhin zarte Wachstumspflanze „Konjunktur“ nicht abzuwürgen. Auf der anderen Seite versucht Greenspan aber immer deutlicher, Investoren in die nach drei Jahren Baisse danieder liegenden Aktienmärkten zu locken, um letztlich Investitionen anzukurbeln und die Stimmung zu verbessern. Diese Beinflußung der Märkte mit den damit verbundenen verwirrenden Signalen aus der Federal Reserve legen die Schwächen der so häufig als vorbildlich gepriesenen amerikanischen Geldpolitik offen. Was fehlt ist ein geldpolitisches Konzept, das Ziele und Instrumente der Geldpolitik klar definiert. Teil einer solchen Strategie müßten die Verpflichtung auf ein einziges Ziel, die Sicherung der Preisstabilität und die Vorgabe einer niedrigen Inflationsrate sein.
Ach ja, verbleibt noch die Sache mit dem Heiratsantrag. Auf die Frage, wieso Greenspans (zweite) Ehefrau sich so lange mit dem Ja-Wort Zeit gelassen habe, meinte die renommierte NBC-Reporterin: „Ich habe einfach lange Zeit nicht verstanden, daß es sich um (s)einen Heiratsantrag handelt...!“
Nachlese