Graz - Was täten Politiker, Telefonisten oder Lehrer ohne sie: die Stimme? Diesbezügliche Störungen bei der beruflichen Tätigkeit und die damit verbundenen sozioökonomischen Folgen sind ein zentrales Thema der "Pan European Voice Conference", die ab dem kommenden Donnerstag in Graz stattfinden wird. Nach Untersuchungen haben rund zehn Prozent der Bevölkerung eine Störung der Stimme. In sprachbetonten Berufen steigert sich dieser Anteil bis zu 40 Prozent, so der Vorstand der Phoniatrischen Abteilung der HNO-Uni-Klinik und Leiter der Kongresses, Gerhard Friedrich.

Bedeutung der Stimme nicht zu unterschätzen

"Die Bedeutung der menschlichen Stimme in der Kommunikationsgesellschaft ist nicht zu unterschätzen", so Friedrich. Während noch vor 100 Jahren 80 Prozent der Berufe aus überwiegend manueller Arbeit bestand, seien heute rund 80 Prozent der Dienstnehmer überwiegend auf ihre Sprache als "Arbeitswerkzeug" angewiesen, so Friedrich.

Eine Einschränkung der Kommunikationsfähigkeit führe daher nicht nur zu weniger persönlichem Wohlbefinden, sondern nicht selten auch zu geringeren beruflichen Aufstiegschancen und sozialer Isolation. Da die Anforderungen an das Sprachorgan heute wesentlich höher sind als noch vor einigen Jahrzehnten, steigen auch die Stimmüberlastungen. Daher sei es wichtig, Probleme so früh wie möglich zu erkennen, um einem chronischen Leiden entgegenzuwirken. Alle beruflich "sprachgewaltigen" Menschen sollten nicht nur bei akuten Schmerzen, sondern auch bei längeren Beschwerden eine Untersuchung anstreben, rät der Mediziner.

Vielfältige Krankheitsbilder

Sowohl Erkrankungen der Klangorgane selbst als auch verschiedene Allgemeinerkrankungen und vor allem psychische Belastungen können dazu führen, dass das Zusammenspiel von Atmung, Stimme und Artikulation gestört ist. Die Krankheitsbilder der von Friedrich und seinem Team jährlich rund 10.000 behandelten Patienten sind vielfältig: Störungen durch falschen Stimmgebrauch und Körperhaltung, fehlerhafte Sprechtechnik, chronische Entzündungen oder Lähmungen der Stimmlippen und Tumoren.

Psychosomatische Aspekte

"Ziel der Konferenz ist es, die menschliche Stimme und ihre Störungen in allen Aspekten abzuhandeln: das heißt aus medizinischer, naturwissenschaftlicher, künstlerischer sowie psychologisch-psychotherapeutischer Sicht", so Friedrich. Ein Teil der Tagung mit rund 350 internationalen Experten umfasst psychosomatische Aspekte. Zur Sprache sollen aber auch der Zusammenhang von Stimme und Sexualität kommen, der Einfluss des Bewegungsapparates oder Möglichkeiten des Einsatzes traditioneller chinesischer Medizin.

Einen Schwerpunkt der Grazer Uniklinik stellt die stimmverbessernde Chirurgie - die so genannte Phonochirurgie - dar. Mit mikroskopischen und endoskopischen Techniken sowie verschiedenen Lasern werden Eingriffe zur Verbesserung der Schwingungsfähigkeit, bzw. Abtragung von Tumoren vorgenommen. Für die Wiederherstellung der Sprechfähigkeit bei Lähmung der Stimmlippen wurde jüngst in Graz ein Implantat aus Titan entwickelt, welches nun weltweit in Verwendung steht. (APA)