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Kim Collins vor den Überbleibseln vergangener Triumphatoren

Foto: Reuters/Lagsdon
St. Denis/Paris - Auf seiner Heimatinsel, einem Tauch- und Schnorchelparadies, war er schon lange ein Nationalheld, doch seit Montagabend kennt ihn nun die gesamte Sportwelt: Kim Collins, der Mann, der sich selbst auf Grund seines Wettkampfoutfits als "schwarzes Pferd" unter den Sprintern bezeichnet, und am Montagabend bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften in St. Denis über 100 m sensationell das erste WM-Gold für die Karibikinseln Saint Kitts & Nevis erobert hat.

"Größte Sache seit der Unabhängikeit"

"Das ist die größte Sache für mein Land seit dem Unabhängigkeitstag vor 20 Jahren", betonte der 27-Jährige. "Schon nach meiner WM-Bronzemedaille über 200 m vor zwei Jahren in Edmonton gab es eine riesige Party, aber diesmal, das könnt ihr mir glauben, sind wirklich alle betrunken!"

Auf den beiden zu den Kleinen Antillen gehörigen und von Touristen (150.000 pro Jahr) gern besuchten Inseln St. Kitts (mit 168,4 Quadratkilometern etwa so groß wie Liechtenstein) und Nevis (93,2), die 1493 von Christoph Kolumbus entdeckt worden waren, leben knapp 45.000 Einwohner (Collins: "Das sind weniger, als im Stade de France Platz haben!"), mehr als die Hälfte davon in der Hauptstadt Basseterre. Erst am 19. September 1983 (Nationalfeiertag) erlangten St. Kitts & Nevis als parlamentarische föderative Monarchie im Commonwealth die Unabhängigkeit von Großbritannien, die 1623 die Herrschaft übernommen hatten. Damals allerdings noch unter dem Namen St. Christopher & Nevis, der schließlich 1987 geändert wurde.

Auftrieb für die Kleinen

"Es ist gut, dass der Weltmeister einmal nicht aus einem großen und reichen Land kommt, denn das beweist, dass man auch nur mit Talent Großes erreichen kann", sprach Collins anderen Sportlern, die so wie er aus ärmlichen Verhältnissen stammen, Mut zu. Am 5. April 1976 wurde er in Monkey Hill - der "Affenhügel" ist eine der insgesamt 13 Gemeinden von St. Kitts & Nevis - geboren. Zwar besitzt Collins, nach dem eine Straße in Basseterre benannt worden ist, auf seiner Heimatinsel noch ein Haus, lebt und trainiert aber inzwischen die meiste Zeit in den USA, wo der gläubige Protestant das Soziologiestudium an der Texas Christian University in Fort Worth absolviert hat.

Mit dem Stipendium in Texas begann der langsame, aber stetige Aufstieg des nur 1,75 m und 64 kg schweren Sprinters, dessen sportliches Motto "Gehe es lieber locker an, denn übertriebener Ehrgeiz bringt dich um!" lautet: 1996 in Atlanta nahm er erstmals an Olympischen Sommerspielen teil, wo er ins Semifinale über 200 m vorstieß, über 100 m war im Viertelfinale Endstation. Vier Jahre später sorgte er in Sydney als Siebenter im Kurzsprint für die erste Olympia-Finalteilnahme von Saint Kitts & Nevis. Es folgten der mit dem US-Amerikaner Shawn Crawford geteilte dritte Platz über 200 m bei der WM in Edmonton 2001 und der Sieg im 100-m-Finale der Commonwealth Games 2002 in Manchester.

Harte Konkurrenz aus dem näheren Ausland

Doch Experten glauben, dass es Collins, dessen Bestzeit bei 9,98 Sekunden steht, überaus schwer haben wird, diesen Erfolg zu bestätigen. Denn erstens haben die US-Amerikaner schon nach der Schmach von Göteborg 1995, wo die Sprint-Supermacht ebenfalls ohne Medaille über 100 m geblieben war, fürchterlich zurückgeschlagen und in der Folge bis Edmonton 2001 sechs der insgesamt neun möglichen WM-Medaillen geholt, und zweitens droht dem neuen Champion harte Konkurrenz von einem anderen Sprinter aus der Karibik, nämlich vom erst 18-jährigen Vizeweltmeister Darrel Brown, der im WM-Viertelfinale den Junioren-Weltrekord auf 10,01 verbessert hatte.

Das 1,84 m große und 70 kg schwere Jahrhunderttalent aus Trinidad hatte seine erste WM-Medaille bereits vor zwei Jahren als amtierender Jugendweltmeister in Edmonton mit Staffel-Bronze geholt, nachdem er im Jahr zuvor als 15-Jähriger (!) Vierter der Junioren-WM, die er dann 2002 gewann, geworden war. Mit 10,34 (2000), 10,24 (2001), 10,09 (2002) und jetzt 10,01 hat der Schüler des Southern Union College in Alabama die schnellsten 100-m-Zeiten der Geschichte im Alter von 15, 16, 17 und 18 Jahren erzielt! Zum Vergleich: Collins hatte seine Bestzeit als 20-Jähriger im Jahre 1996 von 10,63 auf 10,27 gedrückt. (APA)