Bild nicht mehr verfügbar.

Proteste gegen den britischen Verteidigungsminister Hoon vor seiner Einvernahme vor der Hutton-Kommission.

Foto: REUTERS/Darren Staples
Der "fall guy" ist – frei übersetzt – der Sündenbock, das Bauernopfer oder auch der Gelackmeierte. "Fall guy" ist das Wortpaar des Sommers in Großbritannien. Kein Tag vergeht, an dem es nicht durch irgendeine Pressespalte geistert. Wer denn nun als Sündenbock über den umstrittenen Irakkrieg stolpert, das ist die Frage, die das politische London bewegt.

Am Mittwoch trat einer der heißesten Kandidaten für die Rolle des Opferlamms vor den Lordrichter Brian Hutton, der seit Anfang August den Selbstmord des Waffenspezialisten David Kelly untersucht. Verteidigungsminister Geoff Hoon stand als erster gewählter Politiker von Rang Rede und Antwort, bevor ihm am heutigen Donnerstag Premier Tony Blair folgt.

Im Kern sollte der 49-jährige Exjurist die Frage beantworten, warum sein Pressebüro Kelly als Informanten der BBC preisgab. Kelly schnitt sich am 17. Juli die Pulsadern auf. Kurz zuvor war bekannt geworden, dass er der BBC als Quelle für einen Aufsehen erregenden Bericht diente – für die Behauptung, Blairs Riege habe die irakische Gefahr aufgebauscht.

Anhänger der "Stop the War Coalition", eines losen Bündnisses gegen den Irakkrieg, stimmten ein Pfeifkonzert an, als Hoons Limousine am Mittwoch durch das Tor des Royal Court of Justice rauschte. "Hoon. Going, Going, Gone", stand auf Plakaten.

Der Minister tat so, als ginge ihn der Trubel nichts an. Keine Spur von Nervosität in seinem Gesicht. Vor allem stritt er jede Mitschuld an Kellys Tod ab. Den Namen des Mikrobiologen publik zu machen, sagte der Labour-Politiker, sei eine Personalfrage gewesen. Und für Personalfragen sei nicht er zuständig, sondern sein Privatsekretär Kevin Tebbit. Er, Hoon, sei auch nicht konsultiert worden, als sein Pressebüro drei britischen Zeitungen auf Anfrage bestätigte, dass Kelly der BBC-Informant war. Doch nach allem, was Hutton bisher unter dem Teppich hervorkehrte, stellte sich Hoon nicht eben schützend vor seinen Berater.

Laut internen E-Mails, die Lord Hutton bislang unter die Lupe nahm, drängte der Verteidigungsminister geradezu auf die Enttarnung seines Angestellten. Und Kevin Tebbit, auf den er jetzt die Verantwortung ablädt, wollte verhindern, den scheuen Kelly in die Öffentlichkeit zu zerren. Der Mann sei es "nicht gewohnt, ins Rampenlicht geworfen zu werden", hatte er gewarnt.(DER STANDARD, Printausgabe, 28.8.2003)