München/Frankfurt/Berlin - Der triumphale Wahlsieg des ruandesischen Präsidenten Paul Kagame wird am Mittwoch von zahlreichen europäischen Zeitungen kommentiert.

"Süddeutsche Zeitung":

"Wahlergebnisse von mehr als neunzig Prozent sind verdächtig. Vor allem in einem Land wie Ruanda (...) Niemand konnte erwarten, dass sich Kagame und seine Regierungspartei auf ein gefährliches Abenteuer einlassen. Bei wirklich fairen Wahlen hätte die Gefahr bestanden, dass die Hutus den Tutsi Kagame abwählen. Das wiederum empfindet dessen Bevölkerungsminderheit zurecht als lebensgefährlich. Sollte Kagame wirklich vorhaben - wie er immer behauptet -, Ruanda zu demokratisieren, dann muss er seinen Herrschaftsstil verändern. Solange es keine Meinungsfreiheit gibt, solange politische Gegner mundtot gemacht werden und solange er mit einem mächtigen Polizeiapparat herrscht, wächst die Zahl der Gegner. Kagames Politik treibt jetzt schon den radikalen Hutu-Milizen immer mehr Anhänger zu."

"Frankfurter Rundschau":

"Kagame ist nun auf seine Art zum Test auf 'Versöhnung' angetreten. Man könnte sagen, auch im Interesse der Zukunft des Landes. Allerdings stand der Präsident, nicht zuletzt wegen seiner Rolle im Kongo-Krieg, kräftig unter dem Druck des Auslands, sich an der Wahlurne 'demokratische Legitimität' zu verschaffen. (...) Verständlich zwar, dass Kagame versucht, den Hutu-Tutsi-Konflikt ein für allemal auszulöschen, tatsächlich aber kann das Verschweigenmüssen von Hutu- wie Tutsi-Identität, gerade angesichts einer unbewältigten Vergangenheit, im Stillen erst recht den alten Konfliktstoff zusammenballen, den es doch nie wieder geben soll. (...) Wer das Wahlergebnis betrachtet, dem stellt sich deshalb nur eine wichtige Frage: Ist es ein Sieg über die Angst oder ein Sieg der Angst? Die angstbesetzte Tradition der Anpassung und Unterordnung spricht für Letzteres. Hat Ruanda also jetzt nur das Schauspiel einer Fassadendemokratie der besonderen Art geboten?"

"tageszeitung" (taz):

"Die Vehemenz, mit der Kagames Apparat während des Wahlkampfes vor 'ethnischer Spaltung' warnte und damit Gegenkandidat Twagiramungu dämonisierte, zeigt, wieviel Angst die Regierung vor ihrem Volk hat. Niemand konnte sich sicher sein, ob in der Geborgenheit der Wahlkabine nicht doch die Tradition von Hutu und Tutsi über die Einheitsideologie des 'neuen Ruanda' obsiegt. Umgekehrt zeugt die Bereitschaft der Bevölkerung, sich doch den Appellen Kagames zu fügen, ebenfalls von Angst: Angst vor einer Rückkehr in Ruandas blutige Vergangenheit, Angst vor den Folgen einer politischen Polarisierung, die zum Genozid führte..."

"Le Soir" (Brüssel):

"Aller Zurückhaltung des Westens zum Trotz haben die Ruandesen ihren Präsidenten bestätigt, ihm ein Mandat für die kommenden sieben Jahre gegeben. Es bleibt abzuwarten, ob der Mann mit der kriegerischen Vergangenheit von dieser demokratischen Salbung verändert wird, ob er Ruanda nicht nur stabiler und sicherer machen will, sondern auch die Beziehungen zu den Nachbarländern befrieden, die noch sehr geschlossene Gesellschaft öffnen und schließlich im Namen der Versöhnung auch akzeptieren kann, dass sich die internationale Justiz auch mit den Kriegsverbrechen der Befreiungsarmee FPR (Patriotische Front) befasst." (APA/dpa)