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Linda de Mol, ihr Lebensgefaehrte und Sohn: Eine Familie als Beispiel für Party und Pampers.

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Raffgierige Ältere und Alte, die das Sozialsystem plündern und ihre üppige (Früh)Pension am Tennisplatz verprassen. Und egoistische Junge, die den Generationenvertrag aufkündigen und sich lieber mit Parties als mit Pampers beschäftigen. Zwischen diesen polemischen Polen bewegt sich die Debatte über den Generationenkonflikt, auch als Nachwehe der Pensionsreform.

Die hitzige Generationen- Diskussion ist aus Deutschland nach Österreich herübergeschwappt - und hat sich hier bald auf die Frage reduziert, warum denn die Jungen nicht mehr so selbstverständlich Kinder in die Welt setzen wie ihre Großeltern. Manche haben einfache Antworten darauf. Wie Bildungsministerin Elisabeth Gehrer: Weil den hedonistischen Jungen Ferienwohnungen auf Ibiza und Dauerfeiern wichtiger sind als Kinder. Kurz und polemisch: Die bösen Jungen haben die falschen Werte, sollten diese gefälligst ändern und sich schleunigst der Fortpflanzung widmen. Gegenfrage: Wer hat denn die Werte vermittelt?

Mit leicht oberlehrerhaften Zurufen lassen sich natürlich nicht mehr Kinder verordnen. Und eine - teils scheinheilige - Wertedebatte kann bestenfalls in Teilaspekten klären, warum noch nie eine Generation so wenig Kinder geboren hat wie die der 20- bis 40-Jährigen. An den (falschen) Werten kann es nur bedingt liegen: Die meisten Jungen geben in allen Studien an, sich Kinder zu wünschen. Der Wunsch wird aber immer seltener (und später) in die Realität umgesetzt, und das liegt auch an den Rahmenbedingungen, die Gehrer, ihre Regierungskollegen und Vorgängerregierungen geschaffen haben.

Zum Beispiel das Faktum, dass Kinder ein erheblicher ökonomischer Risikofaktor für Frauen sind. So haben Wirtschaftsforscher errechnet, dass Mütter gegenüber ihren gleichaltrigen und gleich qualifizierten Kolleginnen Einkommensverluste zwischen 106.000 und 224.000 Euro hinnehmen müssen. Der Preis des Kindersegens ist in Österreich hoch - und wird vor allem von Frauen bezahlt.

Der nach wie vor bescheidene Beitrag der Männer zur Kindererziehung, die konstant unter zweiprozentige Zahl der Karenzväter belegt ihn deutlich, die verschwindend geringe Betroffenheit der Männer vom Karrierehemmer Kind wird aber bisher in der Debatte peinlichst ausgespart - als ob die sinkende Kinderzahl ausschließlich eine Frauenangelegenheit wäre.

Niedrigere Geburtenraten sind kein österreichspezifisches Phänomen, sondern eines aller Industrienationen. Das hat den Vorteil, dass der europäische Vergleich manch ideologische Diskussionen ersetzen kann: Länder wie Frankreich oder Schweden bieten flächendeckende Kinderbetreuung, reden nicht nur von Vereinbarkeit von Beruf und Familie - und haben hohe Geburtenraten. Statt auf die egoistischen Jungen könnte Gehrer auf ihre Parteifreunde in den ÖVP-dominierten Ländern und Gemeinden schimpfen, warum sie es noch nicht geschafft haben, ausreichend leistbare Kinderbetreuungsplätze anzubieten.

Schimpfen auf Kinderlose löst überhaupt kein Problem - sondern schürt künstlich den Verteilungskampf zwischen Kinderlosen und Familien. Genau wie die Frage, ob Dinks (double income, no kids) durch ihre höheren Ausgaben für die Wirtschaft nicht wertvoller sind als Familien - beides ist notwendig. Und natürlich verteilt der Sozialstaat richtigerweise von Kinderlosen zu Familien um, weil Kinderlose Leistungen wie Kindergeld, Schulen oder Familienförderung mitfinanzieren, ohne sie zu konsumieren.

Rein aufs Finanzielle lässt sich die Debatte übers Kinderkriegen ohnehin nicht reduzieren. Dazu kommen scheinbare Belanglosigkeiten, die in Summe Kinderfeindlichkeit ausmachen - wenn etwa Parks eher als Hundeklos denn als Kinderspielfläche dienen.

All diese Rahmenbedingungen, von der Kinderbetreuung über ökonomische Risken bis zu Kinder- statt Hundezonen, kann die Politik gestalten und ändern. Wenn sie will - und sich nicht in anklagenden Wertedebatten verzettelt.

(DER STANDARD, Printausgabe, 28.8.2003)