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Peter J. Safar

Foto: apa/schneider
Der für die gesamte Menschheit dem Tod ein Schnippchen schlug, hat seinen persönlichen Kampf gegen ihn verloren. Peter Safar, der Vater der modernen Herz-Kreislauf-Reanimation, starb am 3. August im Alter von 79 Jahren in Pittsburgh (USA).

Als Wiederbelebungsmethode etablierte der gebürtige Wiener die sogenannten ABC-Regel (Airway-Breathing-Circulation), eine Handlungsabfolge für die ersten, lebensrettenden Maßnahmen am Unfallort. Dabei ist es die Verbindung zwischen Mund-zu-Mund-Beatmung und Herzmassage, die eine Lebensrettung erst möglich macht. In den 50er Jahren hatte Safar den "Kiss of life" überhaupt erst in die moderne Medizin eingeführt. Zwar gibt es in der Bibel Hinweise auf diese Hilfsmaßnahme, Safar war es aber, der sie nach zweitausend Jahren wiederentdeckte. Das Ergebnis: die Rettung von Millionen von Menschenleben und ihre Weitergabe an hundertausende zivile SanitäterInnen und AutofahrerInnen weltweit.

Damit hatte er eines seiner Ziel erreicht. Safars Lebensaufgabe bestand zunächst darin, das Leben schwer Traumatisierter am Unfallort zu verlängern. Während der Wegbeschreitung schreckte der Pazifist und Zeuge des Nazi-Regimes indessen nicht vor waghalsigen Abenteuern zurück. Die Wiederbelebung musste er an Freiwilligen erproben. Er paralysierte sie mit indianischem Pfeilgift und belebte sie anschließend wieder.

Frühe Konfrontationen mit dem Tod Kriegsgeschädigter dürften sein Bewusstsein über die Notwendigkeit lebenserhaltender Sofortmaßnahmen an Ort und Stelle initiiert haben.

Zeuge der Vernichtung

1924 in eine Arztfamilie hineingeboren - der Vater, Dr. Karl Safar, war Dozent für Augenheilkunde, die Mutter, Dr. Vinca Safar-Landauer, eine Kinderärztin - war Safars Kindheit von der politischen Entwicklung seit den 30er Jahren und dem zweiten Weltkrieg geprägt. 1938 verlor die Mutter ihre Arbeit, weil sie nach den NS-Gesetzen nicht arisch gewesen ist (ihr Vater war getaufter Jude). Der Vater verlor die Dozentur und das Primariat, weil er sich von ihr nicht scheiden ließ und ein "Gnadengesuch" zur Wiedererlangung der "Venia legendi" nicht unterschrieb. Als „Mischling“ durfte der 18-jährige Safar zunächst nicht Medizin studieren.

Seine Kindheitserlebnisse hat er als Zeitzeuge mit der spannenden Autobiografie "From Vienna to Pittsburgh for Anesthesiology and acute Medicine" der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Arbeitsdienst und Einberufung

1942 musste sich der junge Safar zum Arbeitsdienst melden. So landete er bei München in der Nähe des KZ Dachau, freilich ohne damals zu wissen, was dort passierte. Noch im selben Jahr folgte die Einberufung zur deutschen Armee. Gleichzeitig reifte im Teenager das Bewusstsein über das „Gefangensein seiner Generation“. Zunächst schienen Selbstauslieferung oder Desertion die einzigen Alternativen zum „Aufgezwungenen Killen“ zu sein. Bald aber sollte sich erweisen, dass Safar eigentlich ein "Glückspilz" war: Mit Hilfe seines Vaters gelangte er zunächst zur Artillerie in Brünn. In Kreisen war durchgedrungen, dass dort manche Offiziere passiven Widerstand leisteten. Tatsächlich wurde er lediglich für zwei Monate als Fernschreiber eingesetzt. Nicht einmal mit dem Gewehr umzugehen lernte er.

Während eines Wien-Aufenthalts handelte sich der verhinderte Soldat eine Allergie ein. Zu dieser Zeit hätte er an die Front gemusst. Es waren mit dem Vater gut bekannte Dermatologen, die den Zögling monatelang bei sich behielten, wobei Safar persönlich der Krankheit nachhalf. Im Frühjahr 1943 wappnete sich der angehende Mediziner vor einer SS-Inspektion im Bewusstsein, eine nicht ungefährliche Haut-Reaktion durch Auftragen von Tuberculin-Salbe zu bewirken. Und es klappte. Safar durfte weiterhin als krank gelten. 1944 gelang es dem Dermatologen Dr. Gustav Riehl schließlich, Safar und andere als untauglich auszumustern zu lassen.

Liste der „firsts“

Seine erste medizinische Ausbildung erhielt Safar in Wien von 1943 bis 1948. 1949 zog es ihn in die USA, wo er größere Chancen für die Umsetzung seiner Ziele sah. An der Yale University spezialisierte er sich auf Pathologie und Chirurgie, bevor er leidenschaftlicher Anästhesist, zunächst an der Pennsylvania State University, werden sollte.

Seine Karriere ist immer wieder als "List of firsts" beschrieben worden. Scheinbar unermüdlich gründete der von der Rettung Besessene Institutionen: die Abteilung für Anästhesie am National Cancer Hospital in Lima (Peru), die Abteilung für Anästhesie am John Hopkins Krankenhaus in Baltimore; am Baltimore City Hospital (USA). 1961 trat der bereits Prominente eine Professur für Anästhesiologie und Critical Care Medicine an der Universität Pittsburgh an. Dort baute er dann die größte akademische Anästhesieeinrichtung der Vereinigten Staaten auf.

1979 folgte die Gründung des Internationalen Wiederbelebungsforschungsinstituts in Pittsburgh, das 1994, dann unter der Leitung von Patrick Kochanek, zum "Safar Center for Resuscitation Research" umbenannt wurde. In Pittsburgh entstanden unter Safar weiter das erste moderne Rettungswesens sowie die erste Intensivstation.

Kühlungsmethode

Eine neuere, wesentliche Errungenschaft in der Notfallmedizin, in deren Forschungsbereich zu Beginn dieses Jahres Safars Wiener Kollegen um Wilhelm Behringer Fortschritte vermeldeten, ist die sofortige Kühlung eines Notfallpatienten in Verbindung mit verzögerten Wiederbelebungsmaßnahmen. Hier war Safar gemeinsam mit dem Mediziner Lyn Yaffe einer der ersten, die mit der Idee bahnbrechend experimentierten: In lebensbedrohlichen Fällen bzw. bei schweren Blutungen wird mittels eisgekühlter Kochsalzlösung die Körpertemperatur des Patienten auf bis zu acht Grad Celsius reduziert, damit es zu einer Blutstillung kommt. Je größer die Blutung, desto schneller tritt der Herzstillstand sein. Infolge droht ein schneller Hirntod durch unzureichende Sauerstoff-Versorgung des Organs.

Auch hier ist es ein persönliches, traumatisches Ereignis Safars gewesen, das den Willen, den Hirntod im Interesse der Menschheit zu bezwingen, bekräftigte: Nachdem seine 11-jährige Tochter in Abwesenheit der Eltern einer schlimmen Asthma-Attacke erlag, steckte sich Safar das Ziel, das Eintreten des Hirntods hinauszuzögern.

Die letzten diesbezüglichen Forschungserfolge wurden vor zwei Jahren der größeren Öffentlichkeit gemeldet. Safars Team war es gelungen, zwei Hunde durch Kälteschocks wiederzubeleben. Während des klinischen Todes waren die Tierkörper auf fünf bis zehn Grad Celsius abgekühlt worden.

Pazifist und Musiker

Mit Peter J. Safar ist nicht nur ein hervorragender Mediziner und Wissenschafter gestorben, sondern auch ein engagierter Pazifist. Als Mitglied der Physicians for Social Responsibility (Ärzte für soziale Verantwortlichkeit), Physicians for the Prevention of Nuclear War (Ärzte-Vereinigung zur Verhinderung nuklearer Kriege) und der International and World Federalist Association machte er sich das Wort eines Freundes der Eltern zum Leitmotiv. Der hatte dem jungen Safar verständlich gemacht: „Peter, der einzige Beruf, in dem du nicht dazu gezwungen werden kannst, ein Diener des Bösen zu werden, ist Mediziner.“ Privat liebte er klassische Musik, spielte passioniert Klavier und scheute sich im übrigen nicht, seine Meinung zu Problemen, die die Welt bewegen - zuletzt den Irak-Krieg - US-Präsidenten zu schreiben. Am Ende arbeitete er an einem Buch über die Geschichte der Wiederbelebung.

Safar wurde vielfach ausgezeichnet: Ehrendoktorwürden, 1997 der "Goldenen Rathausmann" in Wien, u.a. korrespondierendes Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und der Deutschen Akademime der Naturwissenschaften Leopoldina, 1999 Österreichisches Ehrenkreuz. Alles in allem kein Wunder, dass Safar drei Mal für den Nobelpreis für Medizin nominiert wurde. (Marietta Böning)