Wien - "Guten Morgen", sagt Helmut, als er in den Saal geführt wird. Keiner grüßt zurück. Der hellblaue Anzug passt nicht zum blassen zerfurchten Gesicht und den langen fetten Haaren. So elegant gekleidet sollte man ihn beim Würstelstand in Meidling sehen, wo die meisten seiner Krawalle beginnen. "Ausgeborgt?", fragt ihn die Bewährungshelferin. "Nein, der gehört mir", flüstert er steirisch. Den hat er in der Gefängnisschneiderei gekauft. Richtig stolz ist er.

1958 in Judenburg geboren. Eltern vom Alkohol weggeschwemmt. Kindheit im Heim verwirkt. Jugend im Rausch untergegangen. "Sein ist Leben von Gewalttaten geprägt", sagt die Staatsanwältin. 21 Vorstrafen. "Fast nur Körperverletzungen", präzisiert die Richterin. Sie wirkt immer angeekelt bei solchen Themen, diesmal ganz besonders.

Zuletzt hat er sich sechs Jahre gut gehalten: seine erste eigene Wohnung, Alkoholtherapien, regelmäßige Arbeit. Dann wieder Wodka und Bier und der blöde Streit mit dem Obdachlosen Robert beim Würstelstand. "Weg'n da Hous'n." Hasen? Nein: wegen der Hose. Robert hat sich eine Hose von ihm ausgeborgt und nicht mehr zurückgegeben. "Und er hat mir die Wohnung total versaut." Für eine kleine Schlägerei im hohen Promillebereich wäre das schon ein geeigneter Anlass gewesen. Aber leider fuchtelte Helmut plötzlich mit seinem Taschenmesser herum. Robert erinnert sich: "Ich hab' nur noch das Messer blitzen g'sehen, und dann war's schon in meinem Hals. - A blede G'schicht."

Helmut bedauert: "I hab' eam blöd erwischt." Seine Anwältin ergänzt: "Es war ein unglücklicher Zufall, dass das Messer so scharf war und einen Seitenast der Halsschlagader getroffen hat." Helmut merkte nicht gleich, was er angerichtet hatte. Er ging noch auf ein Bier, ehe er zum Tatort zurückkehrte. "Da hab' ich die Polizei gesehen und hab' mir gedacht: Oh je." Jetzt muss er wieder für ein paar Jahre ins Gefängnis. (DER STANDARD, Printausgabe, 28. August, 2003)