Wien – Gegen manch "absurde" Vorschläge hilft nur mehr Aktionismus, finden die roten Schüler Vorarlbergs. Und wollen am Samstag Gratiskondome verteilen – rechtzeitig vor Beginn der Partys.

Auf weniger aktionistischer Ebene wurde Donnerstag darüber diskutiert, wie die niedrige Geburtenrate bekämpft werden könne. Derzeit hat Österreich das viertschwächste Bevölkerungswachstum der EU (siehe Grafik) und liegt unter dem EU-Durchschnitt.

ÖVP-Sozialsprecher Walter Tancsits will die Vereinbarkeit von Beruf und Familie dadurch fördern, indem ein Rechtsanspruch auf Teilzeit für Eltern bis zum Schuleintritt des Kindes gesetzlich verankert wird. Das Wirtschaftsministerium arbeitet derzeit an einem Entwurf dazu. Die Details sind allerdings umstritten: Wenn es nach Tancsits geht, wird dieser Rechtsanspruch für Betriebe ab 20 Mitarbeitern eingeführt. Die Wirtschaftskammer ist zwar für den Rechtsanspruch, verlangt aber, dass er erst für Betriebe ab 50 Mitarbeitern gelten soll – damit wären rund die Hälfte der Beschäftigten in Österreich betroffen.

Nur drei Prozent der Betriebe haben mehr als 50 Mitarbeiter, geben allerdings 56 Prozent aller Beschäftigen Arbeit. 92 Prozent der Betriebe haben weniger als 20 Beschäftigte – und geben 30 Prozent aller Beschäftigten Arbeit. Rund fünf Prozent aller Betriebe beschäftigen zwischen 20 und 50 Mitarbeitern, das sind 13,2 Prozent aller Beschäftigen. Zudem fordert die Wirtschaftskammer im Ausgleich flexiblere Arbeitszeiten.

Helmut Haigermoser vom Ring freiheitlicher Wirtschaftstreibender hält das Recht auf Elternteilzeit überhaupt für "nicht zumutbar für Betriebe". Der Versuch, das Geburtenproblem auf den Rücken der Wirtschaft lösen zu wollen, sei jedenfalls der falsche Weg. SPÖ-Familiensprecherin Andrea Kuntzl hingegen unterstützt die Forderung nach Teilzeitanspruch.

Auch Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl widerspricht Kanzler Wolfgang Schüssel, dass die Wirtschaft mehr Geld für Betriebskindergärten zur Verfügung stellen solle: Die Wirtschaft habe kein Geld dafür, meint Leitl und kritisiert, dass der Familienfonds vor zwei Jahren trotz Warnungen der Wirtschaft ausgeschöpft wurde.

In Vorarlberg wird hingegen über die Zahl der Kinderbetreuungsplätze diskutiert. Bildungsministerin Elisabeth Gehrer, Auslöserin der Wertedebatte, hatte neulich gesagt, in ihrem Heimatbundesland mangle es nicht an Kinderbetreuungsplätzen – das hat in Vorarlberg Erstaunen und Ärger ausgelöst. Die Grüne Katharina Wiesflecker kontert: Das per Landesgesetz festgelegte Kindergarten-Eintrittsalter liege bei vier Jahren – so hoch wie in keinem anderen Bundesland. Eltern von Kindern unter vier Jahren müssten selbst aktiv werden und Kinderbetreuungseinrichtungen initiieren – nicht mehr als sieben ganztägige Betreuungseinrichtungen seien daraus entstanden. Und an 240 Pflichtschulen gebe es nur 16 Betreuungsangebote. (eli, jub/DER STANDARD, Printausgabe, 29.8.2003)