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Bartenstein: "Ich halte es für eine völlig falsche Verkürzung zu sagen: Das Land braucht Kinder zur Sicherung der Pensionen, zur Sicherung des Gesundheitssystems und zum Erhalt der Wirtschaftskraft."

foto: reuters/bieniek
Wirtschaftsminister Martin Bartenstein hat fünf Kinder, er bezeichnet sie als Voraussetzung für sein Lebensglück. Die Diskussion über den Generationenkonflikt geht für ihn am Thema vorbei: "Kinder sind nicht nur Instrumente, um die Pensionen zu sichern", sagt er im Gespräch mit Michael Völker.

STANDARD: Rauschen Ihre Kinder auch von Party zu Party?

Bartenstein: Zum Teil ja. Das ist abhängig von den Studienphasen und vom Alter. Meine Kinder sind zwischen zehn und 19. Party ist fun. Das spielt für meine Kinder eine Rolle, hat auch für mich eine große Rolle gespielt. Ich möchte nichts davon missen.

STANDARD: Haben junge Leute heutzutage weniger Verantwortungsbewusstsein für die Gesellschaft als früher?

Bartenstein: Die jungen Menschen von heute haben in mancherlei Beziehung mehr Verantwortungsbewusstsein als vielleicht sogar meine Generation. Sie gehen mit Partnerschaften verantwortungsvoller um als wir in den 70er- oder 80er-Jahren. Aber junge Menschen sind heute deutlich stärker auf den Abschluss ihrer Ausbildung, auf Karriere und Job fokussiert als früher.

STANDARD: Und bekommen daher weniger Kinder, was wiederum schlecht für unsere Volkswirtschaft ist.

Bartenstein: Ich halte es für eine völlig falsche Verkürzung zu sagen: Das Land braucht Kinder zur Sicherung der Pensionen, zur Sicherung des Gesundheitssystems und zum Erhalt der Wirtschaftskraft. Jede Aussage für sich ist richtig. Aber da fange ich doch lieber mit der Wertediskussion an, die lautet: Wir wollen und brauchen Kinder, weil Kinder zu uns und zum Leben gehören und nicht nur Instrumente sind, um die Pension zu sichern oder das Bruttoinlandsprodukt hochzuhalten.

STANDARD: Kinder können aber auch eine Belastung sein.

Bartenstein: Man könnte fast zu der Auffassung gelangen, es ist an sich schön, ein Single zu sein, weil es da die Belastung durch Kinder nicht gibt. Das Gegenteil ist der Fall. Ich und die meisten Eltern dieser Welt wären unglücklich, hätten sie ihre Kinder nicht. Aus meiner sehr persönlichen Sicht sind die Kinder fast eine Voraussetzung für mein Lebensglück. Die Diskussion geht am Thema vorbei. Es kann doch nicht das Motto sein: Schöner wäre es, Single zu sein, aber wegen des Generationenvertrags und des Gesundheitssystems haben wir halt doch ein paar Kinder.

STANDARD: Tatsache ist aber, dass immer weniger Kinder geboren werden.

Bartenstein: Wir haben eine Geburtenrate, die in vielerlei Beziehung Probleme macht. Würden sich alle zu einem kinderlosen Leben entschließen, wären viele Fragen innerhalb einer Generation beantwortet. Dann sind wir nämlich ausgestorben. So gesehen braucht es zu dieser Wertediskussion auch eine Diskussion, wie gehen wir mit der demografischen Entwicklung um. Das hat mit der Berufswelt, mit Karriere und Laufbahn zu tun. Mit zwei Einkommen zum Lebensstandard einer Familie beizutragen ist für wenige eine freie Wahlmöglichkeit. Die Erwerbsbeteiligung von Frauen ist heute - wenn ich Kinderpause oder die eine oder andere Teilzeitbeschäftigung abziehe - de facto vergleichbar mit der der Männer. Der große Unterschied ist, dass Frauen heute im Erwerbsprozess stehen und trotzdem Mütter sein und ihre Kinder erziehen sollen und wollen. Diese Mehrfachbelastung führt nicht unbedingt zur Kinderverweigerung, aber zu einem Punkt, wo man sagt, maximal ein oder zwei Kinder.

STANDARD: Es liegt an der Politik, entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen, Beispiel Kinderbetreuungsplätze.

Bartenstein: Das Angebot ist nicht ausreichend, das stimmt. Wir haben in Österreich vieles gut und richtig gemacht, der finanzielle Rahmen ist sehr großzügig. Familienbeihilfe, Kinderbetreuungsgeld, da liegen wir weltweit an der Spitze. Alleine der finanzielle Rahmen kann es aber nicht sein, sonst müssten die Geburtenraten in Döbling, Währing und Hietzing österreichweit die höchsten sein. Sind sie aber nicht, es sind die bäuerlichen Familien, die Familien im Mühlviertel, im Waldviertel, wo es finanziell nicht so dick aussieht. Also das Geld allein ist es nicht.

STANDARD: Was ist es dann?

Bartenstein: Junge Frauen erwarten zu Recht, dass sie bei der ohnehin schon gegebenen Mehrfachbelastung die Möglichkeit haben, ihre Kinder zeitweilig betreuen zu lassen. Diese Wahlfreiheit müssen wir ausbauen.

STANDARD: Das liegt ja auf der Hand. Ist das alles, was die Politik tun kann?

Bartenstein: Es gibt andere Themen, der Anspruch auf Teilzeit für Eltern von Kindern im Vorschulalter etwa. Das werden wir in die Praxis umsetzen. Es braucht in der Arbeitswelt zweifellos diese bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, aber auch eine partnerschaftlichere Aufteilung der Familienarbeit. Familienarbeit ist unbezahlt, sie ist keine Erwerbstätigkeit, aber eine ganz wichtige Arbeit, die heute zu 80 bis 90 Prozent von Frauen geleistet wird. Das Verhältnis muss sich zugunsten der Frauen und zulasten der Männer verschieben.

STANDARD: Solange Männer mehr verdienen als Frauen, wird ihr Argument immer sein, "besser ich gehe arbeiten, weil ich verdiene mehr als du".

Bartenstein: Das ist nur ein Teil der Wahrheit. Im öffentlichen Dienst verdienen Frauen durchschnittlich sogar etwas mehr als Männer, und auch dort ist der Anteil der Männer, die sich partnerschaftlich mit den Frauen formieren, sehr gering. Die Einkommensunterschiede sind da, aber der wichtigste Hemmschuh für eine partnerschaftlichen Aufteilung der Familienarbeit ist das Rollenklischee. Machen wir uns da nichts vor. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29.8.2003)