Salzburg - Das schöne, hässliche Stadtkino - runderneuert und im Vorfeld ganz auf verzehrende Gastfreundlichkeit zentriert (ein Treffpunkt der Jugend immerhin im alternden Salzburg!) -, es hört nun auf den Namen "republic". Und aus den enormen, in vielen Momenten und Langstrecken wegweisenden "Zeitfluss"-Bestrebungen der Landesmann-Ära sind unter der (auch moderierenden) Ägide Peter Ruzickas die "Salzburg Passagen" geworden.

Das ist ein nach Terminen gezähltes Unterfangen von einiger Ambition, nach inhaltlichen Gesichtspunkten eher eine artige, kluge ästhetische Reststoffverwertung aus dem reichen Fundus der Avantgarde bis zurück zu Franz Schubert, wobei der mutige Seitenhörblick auf das Schaffen eines echt Heutigen die Ausnahme von der Regel bestätigte.

Und wenn man sich der gegenwärtigen Trockenheit besinnt, dann möchte man diese Aktivitäten mit ein wenig Häme als "Zeitflüsschen" bezeichnen. Zwei Termine herausgegriffen, waren die Besucher nicht nur der konzertanten Länge wegen gefordert, sondern auch in der Konfrontation mit einem gescheiten, gleichsam einführungsgewandten deutschen Nachwuchskomponisten, der freilich auch schon gut 40 Jahre auf dem schlanken Buckel hat.

Hinsichtlich der konzertanten Überlänge ist von einem Klaviermarathon im Lockenhaus-Format zu berichten: Schuberts f-Moll-Fantasie und Stockhausens bis zur Ermüdung faszinierendes "Mantra"-Projekt mit dem Duo Andreas Grau und Götz Grützmacher, Erlesenes, vertrauenserweckend Wiedergelesenes von Scelsi und Nono (". . . sofferte onde serene . . .") mit Markus Hinterhäuser (einem der "Zeitfluss"-Erfinder!) und schließlich bis in die frühe Morgenstunde noch Ives' kräfteraubende, mittlerweile doch an Altmodischsein leidende "Concord"-Sonate mit dem Schweizer Klavierorganisator Werner Bärtschi.

Vieles wurde hier in dieser langen Nacht der bleibenden Pianisten und der fliehenden Hörer geleistet, auch an den Elektronikreglern, die in diesem "Piano spezial"-Fall von André Richard mit schier pianistischem Einfühlungsvermögen behandelt schienen. Der genannte Claus-Steffen Mahnkopf - als Vertreter des so genannten "Komplexismus" gerühmt - bot im Rahmen einer Autorenpersonale seinen "Kurtág-Zyklus".

Leise und mobil

Mit mehreren, alternativ besetzten Stücken in Verehrung des ungarischen Komponisten - also eine zu Ton und Klang gereifte Hirn-Verbeugung vor dem Salzburger "Composer in residence 2003" - handelte es sich um die Uraufführung der integralen Fassung. Ausgehend von einer zwischen leiser Säuerlichkeit und mobiler Kratzbürstigkeit vermittelnden "Szene" für zwei Gitarren, entwickelt sich eine "Suite im neuen Stil":

Ungemütlich, fast verbohrt in kantige, pieksende Klangverfügungen, an deren Sichtung, Staffelung und Erklärung das "Österreichische Ensemble für Neue Musik" unter der Leitung von Johannes Kalitzke sich aufopferungsvoll als versammelte Autorität bewährte. (DER STANDARD, Printausgabe, 29.08.2003)