Berlin/Alpbach/Stockholm - Bundeskanzler Wolfgang Schüssel hält die Dreiprozentgrenze für Budgetdefizite in der Eurozone nicht mehr für entscheidend. Noch klarer als am Vortag sein deutscher Amtskollege Gerhard Schröder stellte er damit am Freitag in Alpbach den Stabilitätspakt infrage. Schwedens Premier Göran Persson kündigte unterdessen an, sein Land werde bei einem Scheitern des Pakts erst später der Eurozone beitreten. Die Schweden entscheiden hierüber am 14. September in einem Referendum - bisher überwiegt das Nein.

Bundeskanzler Schüssel griff am Freitag erstmals selbst das Dreiprozent-Defizitkriterium des Stabilitätspakts direkt an. Er trete für eine flexiblere Handhabung des Pakts in Krisenzeiten ein: "Ob das drei Prozent sind oder 3,5 Prozent - das ist nicht der entscheidende Punkt", so Schüssel. Zudem regte er an, die Defizitkriterien für die Länder zu lockern, die in der Rezession steckten. Nationalbankdirektor Peter Zöllner sieht hierin auf Frage des Standard "kein Rütteln am Stabilitätspakt".

Schweden könnte Euro-Beitritt verschieben

Kanzler Schröder hatte am Vorabend in Berlin betont, Deutschland wolle den Stabilitätspakt nicht verlassen, "aber wir wollen ihn in einer ökonomisch vernünftigen Weise interpretieren". Diese Position werde auch von der französischen und italienischen Regierung eingenommen; es sei die Ansicht vieler Staaten, so Schröder. Am Freitag meldete Berlin für heuer ein Defizit von 3,8 Prozent.

Schwedens Premier Persson stellte nun seinerseits eine Verschiebung des Beitritts seines Landes zur Eurozone in Aussicht. Sollten die Wähler im Referendum mit Ja stimmen, gebe es dennoch keinen festen Termin - über diesen sei unter Berücksichtigung des Stabilitätspakts zu entscheiden: "Wir würden da^rü^ber noch einmal nachdenken müssen, wenn er auseinander fällt und nicht mehr funktioniert", so Persson.

Steuerreform früher

EU-Währungskommissar Pedro Solbes äußerte sich unterdessen in Alpbach positiv zu einer Vorziehung der österreichischen Steuerreform: "Wenn es Österreich gelingt, gleichzeitig mit einer Steuersenkung auch die öffentlichen Ausgaben zu kürzen, warum nicht?" (afs, ina, jwo, Der Standard, Printausgabe, 30.08.2003)