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Schüssel: Wir haben entspannt Urlaub gemacht. Das war der angenehmste Teil dieses Sommers. Die anderen haben entweder miteinander geflirtet oder miteinander Keile entwickelt. Wir haben eigentlich mit niemandem gestritten, wir haben uns nach einem wichtigen Stück Arbeit entspannt. Immerhin sind die Budgetbegleitgesetze in Kraft getreten und zwar ohne Probleme.
Standard: Da gab es aber doch erhebliche Nebengeräusche. FPÖ und Opposition sind gegen die ursprüngliche Pensionsreform Sturm gelaufen.
Schüssel: Ich habe auch von Problemen gesprochen, nicht von Geräuschen. Man soll nicht immer auf Höchstlautstärke und im Dauerstress Politik machen, das bringt nichts.
Standard: Werden Sie mit den Grünen das Gespräch suchen?
Schüssel: Ich suche immer das Gespräch mit der Opposition. Ich rede sehr gerne mit Alexander Van der Bellen. Er ist einfach ein authentischer Gesprächspartner mit seiner Langsamkeit, der Bedächtigkeit, aber zugleich auch natürlich, wenn er manchmal einfach für sich zu lachen beginnt oder auch selbstkritisch ist. Ich red’ gerne mit ihm.
Standard: Reden Sie genauso gerne auch mit Alfred Gusenbauer?
Schüssel: Ja. Ich finde, das ist in Österreich etwas sehr positives, dass wirklich jeder mit jedem reden kann. Selbst in schwierigen Zeiten, und im Moment haben wir nicht wirklich schwierige Zeiten, Gott sei Dank.
Standard: Aber in der Sondersitzung des Nationalrates zur Steuerreform hat Ihnen die Opposition ganz schön eingeschenkt.
Schüssel: Warum die Opposition vor zwei Monaten noch gegen eine Steuersenkung gestimmt hat und dann plötzlich eine dringliche Sondersitzung mitten im Sommer einbeordert, muss mir erst jemand erklären. Wenn es so dringlich gewesen wäre, dann hätten sie zwei Monate davor nicht dagegen stimmen dürfen.
Standard: Aber nicht nur die Opposition, auch ihr Regierungspartner FPÖ macht ordentlich Druck, Teile der Steuerreform von 2005 auf 2004 vorzuziehen. Gibt es da einen Spielraum? Immerhin ist das Budgetdefizit deutlich niedriger als erwartet.
Schüssel: Die Volkspartei ist aus guten Gründen immer für einen ganz großen Steuerreformwurf im Jahr 2005 eingetreten - 2,5 Milliarden Steuersenkung im Jahr 2005. Und es war der ausdrückliche Wunsch der Freiheitlichen, einen Teil, nämlich eine Milliarde, vorzuziehen und nur den kleineren Teil davon gegenzufinanzieren. Vor allem für die Klein- und Mittelbetriebe wird es durch steuerliche Begünstigung nicht entnommener Gewinne eine spürbare Entlastung geben. Auch für die Kleinsteinkommen haben wir etwas getan, wir werden etwa 2,1 Millionen Menschen haben, die ab dem 1. Jänner steuerfrei sind. Ich glaube, dass die FPÖ auch einmal lernen sollte, ihre eigenen Erfolge zu verkaufen und darzustellen. Wenn ich ihr dabei behilflich sein kann, werde ich das gerne tun.
Standard: Besteht die Möglichkeit, die so genannten Bagatellsteuern wie Werbesteuer oder Kreditgebühren abzuschaffen? Das ist ein Wunsch der FPÖ, und offensichtlich werden im Finanzministerium bereits entsprechende Rechnungen angestellt.
Schüssel: Ich habe den Standard auch gelesen. Ich sage Ihnen aber, es macht einen Sinn, eine große Steuerreformkonstruktion zu entwickeln, in der dann wirklich alles drinnen ist. Ehrlich gesagt, es wäre sowohl von der Konzeption als auch vom Marketing her nicht gescheit, wenn ich einen großen Wurf immer wieder salamiartig aufsplittere und am Ende werden alle gähnend sagen "Wo ist die Reform?" Es ist gescheiter, einen Wurf zu konzipieren, die Zeit drängt sowieso. Wir müssen spätestens in fünf, sechs Monaten diese große Steuerreform präsentieren. Wir werden es zur Begutachtung stellen und dem Parlament vorlegen, damit es vor dem Sommer 2004 beschlossen werden kann. Jetzt erklären Sie mir, wo ist der Sinn, dass ich zwei oder drei Monate vor diesem Zeitpunkt noch einen kleinen Teil zur Debatte stelle. Das schwächt das Gesamtanliegen. Es ist gescheiter, einen solchen Wurf als Ganzes zu erarbeiten, dann hat man auch Möglichkeiten, Gegenfinanzierungen darzustellen und die Treffergenauigkeit besser zu erklären. Das sollte etwas sein, das Bestand hat und zu den großen Errungenschaften dieser Legislaturperiode gehört.
Standard: SPÖ-Vorsitzende Alfred Gusenbauer argumentiert, es sei notwendig, die Steuerreform vorzuziehen, um mit einer Entlastung der mittleren Einkommen die Konjunktur anzukurbeln.
Schüssel: Nochmal: Warum hat er vor zwei Monaten gegen die Steuersenkung gestimmt? Wenn es wichtig gewesen wäre, hätte er mitstimmen müssen. Es war ihm nicht wichtig, er hat dagegen gestimmt.
Standard: Da ging es aber nicht um die breite Entlastung, sondern nur um die kleinen Einkommen.
Schüssel: Aber das hilft doch allen. Das hilft am stärksten dem, der ein kleines Einkommen hat, aber es hilft natürlich auch dem Mittelstand. Dann müssen Sie den nicht entnommenen Gewinn für die Personengesellschaften dazurechnen, das ist immerhin ein Volumen von 500 Millionen Euro, das den gewerblichen Mittelstand entlastet. Und den Wegfall der dreizehnten Umsatzsteuer, das waren immerhin 1,7 Milliarden Euro, die schlagartig gestrichen werden. Ich werde es mir nicht nehmen lassen, einen solchen Wurf, der insgesamt 2,5 Milliarden Euro beinhaltet, eine Milliarde davon immerhin dauerhaft, als großen, vorgezogenen Entlastungsschritt zu bezeichnen.
Standard: Es gibt sogar in Ihrer eigenen Partei Stimmen, die meinen, man sollte die Reduzierung der Körperschaftssteuer vorziehen.
Schüssel: Wer sagt das?
Standard: Ihr Budgetsprecher Günter Stummvoll etwa oder Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl.
Schüssel: Die Senkung der Körperschaftssteuer ab 1. Jänner 2005 ist ein in der Partei vollkommen akzeptiertes Thema. Das ist vom Parteivorstand abgesegnet, das steht im Regierungsprogramm.
Standard: Auch in Deutschland wird ein Vorziehen der Steuerreform diskutiert. Das beeindruckt Sie gar nicht?
Schüssel: Die deutsche Steuerreform, die vorgezogene Steuerreform, soll 22 Milliarden Euro Entlastung bringen und wird gegenfinanziert durch 17 Milliarden Euro Belastung. Umgelegt auf Österreich hieße das eine Steuersenkung von 2,2 Milliarden, gegenfinanziert durch 1,7 Milliarden Belastungen. Da möchte ich gerne die Kommentare lesen, was das für eine Reform sein soll. Außerdem glaube ich, dass die deutsche Reform so nicht durchgehen wird.
Standard: Also noch einmal: Es wird kein Vorziehen der Steuerreform und auch keine Abschaffung von Bagatellsteuern geben?
Schüssel: Woran wir arbeiten, ist die Evaluierung der bisherigen Konjunkturmaßnahmen. Über diese Fragen kann man selbstverständlich nachdenken, je nach Entwicklung.
Standard: Offenbar gibt es eine Vereinbarung zwischen Jörg Haider und Herbert Haupt, wonach Haider noch heuer die FPÖ übernehmen soll. Ist das für Sie von Belang, wer an der Spitze des Koalitionspartners steht?
Schüssel: Ich kenne eine solche Vereinbarung nicht.
Standard: Haider selbst hat oft genug darauf hingewiesen.
Schüssel: Das ist für mich nicht relevant. Ich bin nicht Willens, mich in diese internen Fragen der FPÖ einzubringen. Für mich zählt der Koalitionsvertrag, und der ist mit Herbert Haupt und seinem Team ausverhandelt und vereinbart. Der ist einzuhalten. Ich halte mich auf Punkt und Beistrich daran. Es gibt überhaupt keinen Grund, an die FPÖ von außen Wünsche heranzutragen. Die SPÖ hat ein klares Konzept: Die wollen einen Keil zwischen die Regierungsparteien treiben. Das ist legitim. Aber nur ein Tölpel würde darauf hereinfallen.
Standard: Macht es für Sie einen Unterschied, wenn Haider statt Haupt an der Spitze der FPÖ steht?
Schüssel: Ich spekuliere nicht. Für mich zählt das nicht. Für mich zählt die Realität. Die ist oft schwierig genug.
Standard: Dann bleiben wir bei der Realität. Ist die Partnerschaft mit der FPÖ nicht unendlich mühsam?
Schüssel: Diskussionen oder auch mühselige Diskussion gehören in der Demokratie einfach zum Alltagsgeschäft. Das ist in allen demokratischen Ländern so. Der absolute Monarch braucht das nicht, nur ich bin meilenweit davon entfernt. Im Gegenteil, ich sehe mich als Chef eines Teams, und dieses Team funktioniert - eigentlich bemerkenswert gut. Mit allen anderen Parteien hätten wir die gleichen Diskussionen. Mit der SPÖ gab es beispielsweise Übereinstimmung über die Privatisierung der noch verbliebenen Staatsanteile bei der ÖIAG. Genau das, was wir mit der SPÖ besprochen haben, machen wir jetzt, und genau das führt bei der SPÖ zu einer geradezu absurden Diskussion: Ob es gescheiter wäre, dass ein erfolgreicher Paradebetrieb wie die Voest besser aufgehoben wäre, wenn er von Wien aus vom Staat gesteuert wird. Am Ende wird aber ein sehr starker oberösterreichischer Kern herauskommen, eine Mitarbeiterbeteiligung und eine deutliche österreichische Mehrheit.
Standard: Aus einem ehemals roten Paradeunternehmen wird dann ein tiefschwarzes. Es ist ja absehbar, dass Ludwig Scharinger mit der Raiffeisen Oberösterreich groß in die Voest einsteigen wird.
Schüssel: Es ist ein Unheil, wenn man ständig diese parteipolitischen Kategorien an Industriebetriebe anlegt. Die Voest hat ihre Megakrise gehabt, die sie beinahe umgebracht hat, als sie zu hundert Prozent im Staatsbesitz gewesen ist. Der Steuerzahler hat Jahre und Jahrzehnte dafür blechen müssen. Die Aufwärtsgeschichte der Voest-Alpine hat zu dem Zeitpunkt begonnen, als endlich privatisiert wurde. Ich war derjenige, der den Startschuss für die Debatte "Mehr privat, weniger Staat" gegeben hat. Und das hat den Betrieben gut getan. Der Generaldirektor der Voest, Franz Struzl, gehört meines Wissens keiner Partei an, aber ich weiß es auch gar nicht. Und wenn er der SPÖ angehörte, wäre es mir auch wurscht. Sein Stellvertreter gehört angeblich der SPÖ an, es ist mir völlig gleichgültig, weil ich den Wolfgang Eder absolut schätze. Aber das muss weg aus den Köpfen. Wem immer am Ende die Voest gehören wird, der denkt nicht in diesen Kategorien, der denkt nicht in den Kategorien rot, schwarz, gescheckt, grün, kariert. Wichtig ist der allgemeine Nutzen für die Gesellschaft, für die Allgemeinheit, für die Mitarbeiter und natürlich auch für die Eigentümer und die Kunden. So muss es sein, weg mit der Parteipolitik.
Standard: Wird die Privatisierung der Voest tatsächlich noch vor den Landtagswahlen in Oberösterreich über die Bühne gehen?
Schüssel: Was hat eine Landtagswahl mit einer Marktbewegung zu tun?
Standard: Der Voest-Verkauf ist in Oberösterreich doch ein sehr emotional besetztes Thema.