Die tägliche Entscheidung, was zum Essen auf den Tisch kommt, hat enorme Konsequenzen: Die Entstehungsgeschichte der Lebensmittel bestimmt in hohem Ausmaß Qualität und Nutzungsformen der Landschaft. Das im Rahmen der vom Wissenschaftsministerium geförderten Kulturlandschaftsforschung durchgeführte Projekt "Fast Food - Slow Food" untersuchte die Zusammenhänge zwischen Lebensmittelwirtschaft und Kulturlandschaft.

Rund 15 Prozent des gesamten Materialinputs der österreichischen Volkswirtschaft sind der Lebensmittelwertschöpfungskette zuzurechnen. Das entspricht einem jährlichen Input von fast 3,4 Tonnen Biomasse pro Person - dem steht der jährliche Lebensmittelverzehr von 0,7 Tonnen pro Person gegenüber. Mehr als die Hälfte des Materialinputs entsteht durch den Futtermittelbedarf in der tierischen Produktion. Heute wird etwa die gleiche Erntemenge wie 1960 produziert - auf einer um 15 Prozent kleineren landwirtschaftlichen Nutzfläche.

"Diese Produktivitätssteigerung wird vor allem durch den verstärkten Einsatz von abiotischem Material wie Erdöl, Baumaterial, Mineraldünger oder Pflanzenschutzmittel erkauft", erklärt Projektmitarbeiterin Judith Brücker. Für die Kulturlandschaft bedeute das vor allem, dass sich die Probleme verlagert haben. Stand früher der Flächenmangel für die Lebensmittelproduktion im Vordergrund, seien es heute andere Probleme: "Trotz effizienteren Einsatzes von Düngemitteln und Pflanzenschutzmitteln gefährdet die Anreicherung problematischer Stoffe im Boden und im Wasser langfristig den Landschaftshaushalt und die Biodiversität."

Das Projekt legte für Österreich erstmals auch eine Transportstromanalyse der Lebensmittelwertschöpfungskette vor: In den vergangenen 30 Jahren ist die Transportleistung (Produkt aus transportierter Gütermenge und Strecke) der gesamten Kette um 125 Prozent gestiegen, während sich das Transportaufkommen (transportierte Tonnen) nur um 20 Prozent erhöht hat. Das beweist: Der Weg vom Feld zum Teller wird immer länger. So habe sich die Transportleistung des Lkw seit 1970 um den Faktor 2,64 erhöht, die des Schiffs fast um das Dreifache.

Konsumenten erledigen ihre Lebensmitteleinkäufe immer öfter per Auto (fast jeder zweite Einkaufsweg). Und alarmierend: In 13 Prozent der österreichischen Gemeinden gibt es kein Lebensmittelgeschäft mehr. Im Beziehungsgeflecht zwischen Produktions-, Beschaffungs-, Absatz- und Verbrauchsstandorten geht räumliche Nähe zunehmend verloren. Betriebliche Standortkonzentration und die Nutzung von Größenvorteilen führen zum Verlust von Arbeitsplätzen und Wertschöpfung im ländlichen Raum. Die Zahl der Arbeitsstätten zur Erzeugung von Nahrungsmitteln und Getränken habe seit 1970 um rund 40 Prozent abgenommen. Im Einzelhandel habe sich zwischen 1970 und 2000 die Zahl der Lebensmittelgeschäfte von rund 20.000 auf 6600 reduziert. Der Strukturwandel der Lebensmittelwirtschaft gefährdet die regionalwirtschaftliche und soziale Substanz im ländlichen Raum. Was also tun?

Für die öffentliche Hand schlägt die Projektgruppe Folgendes vor: Liberalisierung und Deregulierung des internationalen Handels, Abbau mengenorientierter Subventionen, verbesserte Wirksamkeit der Instrumente der Raumordnung, des Natur- und Tierschutzes und der Lebensmittelkontrolle, Förderung regionaler Wertschöpfungsketten und landschaftsschonender Produktion.

Und den Konsumenten wird vorgeschlagen, Produkte aus regionalen Qualitätswertschöpfungsketten zu bevorzugen, den Fleischkonsum aus Massentierhaltung zu reduzieren und auf biologische Qualitätsproduktion umzusteigen und schließlich Produkte aus biologischer Produktion und ökologisch hochwertiger Verarbeitung verstärkt nachzufragen. (fei/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30./31. 8. 2003)