Wien – "Daß ich hier eben den widerwärtigsten Angriffen der sogenannten linken Studenten ausgesetzt bin; daß ich meine Vorlesung abgesagt habe und wahrscheinlich während des Semesters überhaupt nicht mehr lese, ist Dir wohl bekannt; (...) Aber ich hätte wohl Zeit für einen Abstecher nach Wien, der mich auf andere Gedanken – wenn man etwas organisieren würde." Was Theodor W. Adorno am 30. April 1969 an Lotte Tobisch schrieb, lässt sich in Kürze nachlesen: Im Grazer Droschl Verlag erscheint Mitte Oktober der private Briefwechsel des deutschen Philosophen mit der Wiener Schauspielerin.

Der Briefkontakt zwischen Lotte Tobisch, Mitglied des Wiener Burgtheaters, und Theodor W. Adorno begann im September 1962 und setzte sich bis zum Tod des Philosophen 1969 fort; er umfasst etwa 250 Briefe, Ansichtskarten und Telegramme. "Der Briefwechsel ist das Dokument einer Freundschaft über die Generationen, über die sozialen Positionen, die Formen der Intellektualität und die Temperamente hinweg", heißt es in einer Ankündigung des Verlags.

Lotte Tobisch von Labotyn (geb. am 28.03.1926 in Wien), ein Vierteljahrhundert jünger als der Philosoph, war mit vielen bekannten Künstlern und Intellektuellen – wie Günter Anders, Gershom Scholem, Fritz Hochwälder, Carl Zuckmayer, Elias Canetti oder Richard Neutra – befreundet. Für Adorno war die Freundschaft zu der späteren Opernball-Lady nicht nur Ausdruck einer Verbundenheit zum zeitgenössischen Wien, sondern zugleich auch zum Wien seiner Jugend und seiner musikalischen "Lehrzeit" bei Alban Berg. (APA)