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Vor einem Jahr: Ein von der Bundes-FPÖ enttäuschter Jörg Haider in Knittelfeld

foto: apa/schlager
Knittelfeld ein Jahr danach - aus der Sicht damaliger Hauptproponenten, entlang der Bruchlinien von Knittelfeldern und Antiknittelfeldern.

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Wien - Peter Westenthaler weiß genau, wo er den Samstag von Knittelfeld erlebt hat - im Praterstadion. Vom Ländermatch gegen Moldawien kriegte er wenig mit: "Hinter mir saß Martin Bartenstein, vor mir Wolfgang Fellner. Alle drei haben permanent mit Knittelfeld telefoniert." Ihm war als Einzigem klar: "Es ist aus. Susi Riess-Passer und Jörg Haider hatten ein Papier erarbeitet, darüber wurde nicht einmal diskutiert." Sonntag traten Riess-Passer, Karl-Heinz Grasser und Westenthaler zurück, Montag verkündete die VP Neuwahlen.

Heute kann sich der Ex-FPÖ-Klubchef als Bundesliga-Vorstand ausschließlich dem Fußball widmen und sieht die Rücktritte als unvermeidlich: "Die Differenzen waren zu groß." Schuld daran haben für ihn Einzelne wie Volksanwalt Ewald Stadler, die sich "an der Spitze rächen wollten" - und die Ungeduld mancher, die nicht begreifen wollten, dass ein Regierungseintritt Stimmenverluste bringt. Jörg Haider will er "nur vorwerfen, dass er es zuließ. Er hätte als Einziger die Macht gehabt, Knittelfeld zu stoppen. Denn die Versammlung hinter dem Rücken der Parteispitze - das war ein starkes Stück." Gegen das die Spitze machtlos war: Die Rufe nach Sonderparteitag und Steuerreform konnte sie ignorieren, nach Knittelfeld blieb nur der Rücktritt.

"Tödliche Umarmung" der ÖVP

Stadler, der damals Unterschriften sammelte, sagt heute lieber nichts. Für ihn verteidigen andere das Treffen. Etwa Harald Fischl, Exnationalrat, Haider-Fanklub-Mitbegründer und einer der Initiatoren von Knittelfeld: "Wir wollten erstens zurück zu den Themen und uns aus der tödlichen Umarmung der ÖVP befreien. Und zweitens gab es natürlich das Interesse, Haider stärker in der Bundespolitik zu verankern - aber nicht als Vizekanzler." Obwohl man wegen der "Selbstherrlichkeit" von Riess-Passer empört war. Zumindest haben die 400 Knittelfelder erreicht, dass jene, die die FP "für Selbstdarstellung missbrauchten", weg sind, freut sich Fischl. Außerdem lebe die Hoffnung, dass Haider die Parteiführung übernimmt: Denn die Ablöse von Herbert Haupt "ist ein evidentes Thema".

Der "Reißwolf" von Knittelfeld, Kurt Scheuch, der damals das Papier von Riess-Passer und Haider zerriss, glaubt noch immer, dass Knittelfeld richtig war. Nur in den Sachfragen, versteht sich. Scheuch, heute Kärntner Landtagsabgeordneter: "Es ging ja nie darum, Riess-Passer zu bekämpfen oder abzusetzen. Es war ein Ringen um Inhalte." Problematisch werde es nur, wenn "den eigenen Leuten der Mut abhanden kommt und man da beinahe verräterische Tendenzen orten kann".

EU-Abgeordnete Daniela Raschhofer spricht über Knittelfeld als Todestrip: "Man sieht eine Betonmauer, viele warnen, aber statt auf die Bremse steigt man aufs Gas. Es war klar, dass mit Stadler kein Happyend möglich ist." Raschhofer wurde als Antiknittelfelderin berühmt, trotzdem sagt sie: "Es war ein Fehler der Spitze, sich nicht der Basis zu stellen." Denn die Basis wollte keinen Crash: "Viele waren dort überzeugt, dass ein Kompromiss erreicht ist." Dieses "Paradoxon" von Knittelfeld sei nie aufgearbeitet worden - wie die ganze Entwicklung: "Knittelfeld ist das Trauma der FPÖ. Noch heute wird jede Wortmeldung zu einem Sachthema als Knittelfelder oder Antiknittelfelder Position eingeteilt. Der Konflikt müsste aufgelöst werden." Helfen könnte die nach dem Wahldebakel versprochene Parteireform, von der sie aber "wenig hört".

Raschhofer wird emotional, wenn sie über Knittelfeld spricht - wie viele in der FPÖ. Nur Parteichef Herbert Haupt lässt sich nicht aus der Ruhe bringen: "Alle Beschlüsse von Knittelfeld sind Gesetz. Für mich als Demokraten waren die Beschlüsse bindend." Den Seitenhieb unterstreicht er durch die Analyse: "Die Spitze hätte einen Parteitag zulassen müssen." Noch einen Fehler sieht Haupt - Grasser nach Knittelfeld zu schicken: "Er hatte sich offenbar schon entschieden, zur ÖVP zur wechseln."

Ob Knittelfeld wiederholbar ist? Ausschließen will das kaum jemand. Jörg-Fan Fischl: "Wenn man eine Regierungsmannschaft hat, die sich von den FPÖ-Kernthemen abwendet, ist das eine Frage der Moral und der Verpflichtung gegenüber der Partei." Auch Westenthaler kann sich eine Wiederholung vorstellen, weil die FP "kein eingeschworenes Team ist". Andererseits spielen viele führende Knittelfelder "keine Rolle mehr" - für Westenthaler "späte Genugtuung".(Eva Linsinger, Peter Mayr/DER STANDARD, Printausgabe, 2.9.2003)