Isabella Reicher

Wien - Der Swimmingpool, ein vergleichsweise ungefährliches Schwimmbecken, überschaubar bis zum Grund, ist im Kino oft der Ort, an dem Geschichten tragisch enden: Ein toter Drehbuchautor treibt in Billy Wilders Sunset Boulevard (1950) gleich zu Beginn kopfunter im Wasser. In Jacques Derays La piscine (Der Swimmingpool, 1968) ertrinkt ein schwer alkoholisierter Playboy jämmerlich, weil ihm ein Nebenbuhler das Erreichen des rettenden Beckenrands verwehrt.

Der Swimmingpool gibt auch Fran¸cois Ozons jüngstem Film seinen Titel. Er liegt hinter einem Landhaus, anfangs mit einer schweren schwarzen Plane zugedeckt. Aber mit dem ersten neugierigen Blick der Heldin liegt bereits fatale Ahnung in der Luft.

Dabei ist Ozon mit seinem jüngsten Film aus der artifiziellen Figuren- und Kulissenwelt von 8 femmes zu einem realistischeren Erzählen zurückgekehrt. Wie bereits in Sous le sable entwirft er im Verein mit seiner Koautorin Emmanuèle Bernheim und Hauptdarstellerin Charlotte Rampling zunächst ein kleines fiktionales Frauenporträt: Ramplings Figur, die erfolgreiche Krimiautorin Sarah Morton, entspricht dem Klischee der etwas steifen Britin. Sie wirkt ein bisschen altjüngferlich, trägt Blusen mit Schalkragen, Trenchcoat und Knirps oder leichte Leinenparkas und Hütchen.

Auf Einladung ihres Londoner Verlegers reist Sarah, die an der Arbeit an ihrem jüngsten Buch laboriert, in dessen Haus nach Südfrankreich. Der Film beschreibt sehr genau die Routinen des Besitzergreifens von einem fremden Ort - beim Zusehen zieht man quasi selbst mit ein: ankommen, auspacken, den Kühlschrank füllen und den Laptop anschließen. Sarahs Aufenthalt scheint mit arbeiten, fernsehen und essen ausgefüllt.

Wenig später erhält sie unerwartete Gesellschaft: Eine junge Frau steht eines Nachts im Wohnzimmer und stellt sich als Tochter des Hausherrn vor. Zwischen Sarah und Julie (Ludivine Sagnier) entwickelt sich ein Katz-und-Maus-Spiel. Der Film hat Sarah als zugeknöpft und etwas verunsichert eingeführt. Julie wird nun in jeder Hinsicht als ihr Gegenteil etabliert und weniger mit dem Haus als vielmehr mit dessen Umgebung, der sommerlichen Schwüle und der entsprechenden Körperlichkeit in Verbindung gebracht.

Die Plane überm Pool wird eingerollt, jung und braun gebrannt taucht Julie frühmorgens ins kühle Wasser, unter dem Laub hindurch, das sich dort angesammelt hat. Tagsüber liegt sie neben dem azurblauen Viereck in der Sonne, nachts kehrt sie mit Männerbekanntschaften von ihren Ausflügen ins Haus zurück und raubt Sarah den Schlaf.

Auch anderwärtig initiiert Julies Auftauchen Bewegung: Während Sarah sich allmählich vom Haus weg nach draußen begibt, Spaziergänge unternimmt und regelmäßig im Ort zu Mittag isst, geht der Film gleichzeitig dazu über, sich ihrem Innenleben zuzuwenden. Erste Fantasien tauchen auf, die Julie inkludieren. Spiegelungen und Spiegelbilder häufen sich. Allmählich beginnt Swimming Pool, Wahrnehmungen und Vorstellungen kaum merklich zu vermischen, droht sich aber auch im Gewirr zu verlieren.

Mit den beobachtenden Sequenzen gelingen Ozon und seinen beiden Akteurinnen stimmige, fragmentarische Charakterstudien und Atmosphären. Mit der Zeit werden die Bilder jedoch allzu bedeutungsvoll aufgeladen: In manchen Szenen wirkt Sarah nur noch wie eine Karikatur. Schließlich fängt sie an, an einem neuen Buch zu schreiben, heimlich Julies Erzählungen und Tagebuchaufzeichnungen zu fiktionalisieren. Zugleich überlagern ihre Fantasien zunehmend ihre Wahrnehmungsrealität - am Ende wird nicht eindeutig geklärt sein, was sich auf welcher Bewusstseinsebene abgespielt hat. Im Pool treibt wieder eine Leiche. Ab Freitag