Wien - Erst verlangten sie, er solle den Zellenboden aufwischen - und verpassten ihm feixend den Mädchennamen "Felicia". Dann zwangen sie ihn, auf einem Fuß still zu stehen. Sich selbst zu zwicken. Dann fielen sie über ihn her.

Dann droschen die drei Burschen, wie ihr Opfer nur knapp über 14 Jahre alt, brutal auf den vierten ein. Hielten ihm am Boden fest, zwangen ihm zu sexuellen Handlungen. Orale und anale Vergewaltigung, fünf Mal in Serie: Geschehen am 7. oder 8. August, in einer Jugendzelle der Justizanstalt Josefstadt.

Prekäre Betreuungslage

"Die Burschen sitzen zu viert in einer Zelle, oft den ganzen Tag, weil es keine Arbeit oder Beschäftigung gibt. Heiß war es auch. Das schürt Aggressionen, die in Form von Sekkieren und Belästigen nach außen platzen", schildert die Wiener Kinder- und Jugendanwältin Monika Pinterits. Die prekäre Betreuungslage wird von Karl Aichinger, oberster Wiener Justizwachegewerkschafter bestätigt. "Wenn das Personal nur ausreicht, um Häftlinge zu Verhören oder Verhandlungen zu bringen, müssen die Jugendwerkstätten geschlossen bleiben", schildert er.

Zu viele inhaftiert

Für Pinterits ist die Vergewaltigung aber auch "Alarmzeichen" für eine Fehlentwicklung im Justizbereich: "Es geht nicht an, dass 14-Jährige, die im Supermarkt geklaut haben, wegen gewerbsmäßigen Diebstahls in U-Haft kommen." Tatsächlich hatte das Opfer - Sohn rumänischer Saisonarbeiter, der Wien als Belohnung für ein gutes Zeugnis besuchen durfte - in Geschäften Waren um 57 Euro entwendet: "After Shave, T-Shirt, Champagner", zählt Anwalt Günter Harrich auf.

Im dritten Supermarkt wurde er geschnappt, vom Staatsanwalt - statt auf freiem Fuß angezeigt zu werden - sofort in U-Haft gesetzt. So wie es laut Harrich "in den vergangenen Monaten auch bei Jugendlichen oft geschieht". Doch Friedrich Forsthuber, Pressesprecher des Wiener Straflandesgerichts, schätzt den konkreten Fall anders ein: "Die U-Haft war gerechtfertigt." (Irene Brickner/DER STANDARD, Printausgabe, 3.9.2003)