Bild nicht mehr verfügbar.

FPÖ-Chef Herbert Haupt mit einer Hand von Kanzler Schüssel.

foto: apa/gindl
Wien - Die FPÖ jubiliert. Mögen andere von einem Umfaller bei der Voest sprechen - sie selbst spricht von einem 100-prozentigen Sieg. "Wir haben uns durchgesetzt", interpretiert Justizminister Dieter Böhmdorfer den Entschließungsantrag im Nationalrat vom Dienstag. Habe doch die FPÖ auf eine Formulierung bestanden, wonach "eine österreichische Kernaktionärsstruktur von über 25 Prozent gesichert bleibt", so Böhmdorfer zum STANDARD. Dieser Beschluss erlaubt nach Meinung des Juristen Böhmdorfer keine Vollprivatisierung der Voest und mache daher frühere Ministerratsbeschlüsse obsolet.

FPÖ: Der Staat bleibt

Damit das auch der ÖIAG klar ist, hat Vizekanzler und FPÖ-Chef Herbert Haupt am Mittwoch dem ÖIAG-Vorstand einen Brief geschrieben. Der Inhalt: Nur wenn weniger Voest-Anteile als geplant verkauft werden, ist ein österreichischer Kernaktionär sicher. Die Konsequenz: Die ÖIAG müsse 25 Prozent plus eine Aktie behalten - außer sie findet eine andere Variante, den österreichischen Kernaktionär zu sichern.

Jörg Haider zufrieden

Für Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider hat sich damit die FPÖ mit ihrem Ruf nach Privatisierungsstopp durchgesetzt. Die einzige Möglichkeit, die österreichische Kernaktionärsstruktur durchzusetzen, sei, den Staatsanteil zu behalten. Haider: "Jetzt liegt es an den ÖIAG-Aufsichtsräten, wie sie den Privatisierungsauftrag auslegen. Das sind ja Leute, die ihr Ansehen zu verlieren haben. Die werden doch keine krummen Sachen drehen - das wäre ein strafrechtlicher Tatbestand."

Böhmdorfer hat daher noch vor der für Freitag geplanten Sitzung des ÖIAG-Aufsichtsrats einen Sonderministerrat gefordert, in dem die Details der Voest-Privatisierung beschlossen werden sollen. Koalitionspartner ÖVP kann über diese Interpretation der FPÖ nur den Kopf schütteln. "Es ist in der Regierung mindestens dreimal ausführlich über die Privatisierung der Voest diskutiert worden. Alle Beschlüsse sind einstimmig. Es ist kein weiterer Ministerrat notwendig", betont etwa die Sprecherin von Kanzler Wolfgang Schüssel. Prompt erteilte der Kanzler am Donnerstag dem Wunsch nach einem Sonderministerrat eine Absage.

ÖVP: "Totaler Unsinn"

Auch VP-Klubobmann Wilhelm Molterer will nicht über ein Behalten der Staatsanteile diskutieren. "Das Ziel ist die hundertprozentige Privatisierung der Voest. Der Privatisierungsbeschluss steht im Koalitionsprogramm, der Privatisierungsauftrag ist ergangen, jetzt liegt der Ball bei der ÖIAG", macht er im STANDARD-Gespräch klar, dass am Entschließungsantrag nicht herumzuinterpretieren ist.

Andere in der ÖVP werden noch deutlicher: "Dass die ÖIAG, also der Staat, Anteile behalten soll, ist ein totaler Unsinn und ein sozialistischer Ansatz", empört sich ÖVP-Finanzsprecher Günter Stummvoll im STANDARD-Gespräch. Denn: "Die Vollprivatisierung ist beschlossen, der Staat kann also nicht der Kernaktionär sein." Daran ändere weder der "präzisierende" Entschließungsantrag im Nationalrat noch der Brief Haupts an die ÖIAG etwas: "Es ist ja lieb, wenn Haupt den Brief schreibt - aber rechtlich ist das völlig belanglos."

Entschließungsantrag nur Ergänzung

Der Entschließungsantrag, der das Ziel des österreichischen Kernaktionärs festschreibt, ist laut Stummvoll nur eine Ergänzung des Privatisierungsbeschlusses. Das ändere nichts daran, dass der Auftrag zur Vollprivatisierung bleibe - und die ÖIAG all ihre Anteile verkaufen müsse. Die rasche Meinungsänderung der FPÖ will Stummvoll nur so kommentieren: "Ich freue mich schon auf den Tag nach der oberösterreichischen Landtagswahl, dann kann man ernsthafter diskutieren."

Nicht nur er, viele in der ÖVP interpretieren den Meinungsschwenk der FPÖ so, dass die Blauen versuchen, als Voest-Retter zu punkten. Und überhaupt: Von den bereits privatisierten Voest-Anteilen seien 36,4 in österreichischer Hand, streng genommen sei damit die Anforderung der österreichischen Kernaktionärsstruktur erfüllt.

Gegen EU-Recht

Die FPÖ meint hingegen: Die ÖIAG könne gar nicht österreichische Kernaktionäre bevorzugen, das verstoße gegen EU-Recht, beharrt Böhmdorfer. Jeder ausländische Interessent, der sich diskriminiert fühle, könne Österreich verklagen.

Dies wird in Brüssel, wo das Konzept des österreichischen Kernaktionärs auf starke Bedenken stößt, bestätigt. Die Diskriminierung nach Staatsangehörigkeit verstieße gegen die Kapitalverkehrsfreiheit und damit gegen ein Grundprinzip, heißt es. So etwas sei nur in absoluten Ausnahmefällen zulässig - etwa wenn es um die nationale Sicherheit gehe. Bei einer Privatisierung über die Börse rechnet die Kommission aber kaum mit einer solchen Diskriminierung.

Opposition schäumt

Die Kritik der Opposition wird angesichts des Wirrwarrs immer schärfer. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos warf der ÖVP vor, der Bevölkerung Sand in die Augen zu streuen. Der FPÖ-Kurs gegen die Privatisierung gefiele Darabos - er zweifelt aber, dass er durchgehalten wird: "Die Halbwertszeit der Aussagen Haupts wird immer geringer." Noch deftiger formuliert es der grüne Wirtschaftssprecher Werner Kogler: Seiner Ansicht nach sind einige Regierungsmitglieder "mittlerweile offenbar völlig übergeschnappt". (red/ef, eli, jwo, stein/DER STANDARD Print-Ausgabe, 4.9.2003)