Herbert Haupt ist ein Parteiobmann auf Abruf. Das ist zumindest die einhellige Ansicht der politischen Kommentatoren. Ist er das wirklich? Herbert Haupt hat sich als Chef der FPÖ bereits erstaunlich lange gehalten, jedenfalls länger, als ihm die meisten - auch innerhalb seiner Partei - zugetraut hätten.

Haupt wird dabei immer wieder schweren Belastungsproben ausgesetzt und mit ihm die Koalition. Das war bei der Pensionsreform so, ist bei der Steuerreform so, und als jüngstes, aktuellstes Beispiel stellt hier auch das Tauziehen um die Privatisierung der Voestalpine keine Ausnahme dar. Jörg Haider schießt quer. Die Schwierigkeit bei der Einschätzung des Vizekanzlers: In welche Richtung fällt er diesmal um? Und steht er wieder auf, nur um in die andere Richtung umzufallen?

Gemeinsamen Beschlüssen der Koalition geht stets ein gewaltiges Getöse voraus, ehe sich im letzten Augenblick die Wogen glätten und sich der freiheitliche Juniorpartner in seinem Platz im Beiboot zurechtfindet. Auch die Vorgangsweise ist stets ähnlich: Die FPÖ trifft gemeinsam mit der ÖVP einen Beschluss, kommt nachher drauf, dass sie diesen so nicht mittragen kann oder will, rudert zurück - und gibt schließlich auf: Pensionsreform, Steuerreform, Voest-Privatisierung.

Herbert Haupt blamiert sich dabei jedes Mal bis auf die Knochen, setzt sich danach aber scheinbar ungerührt vor die Presse und versucht einen freiheitlichen Erfolg zu verkaufen. Das mag Unterhaltungswert haben, seinen Abgeordneten, wohl auch den verbliebenen freiheitlichen Sympathisanten, müssen diese Windungen aber körperliche Schmerzen bereiten. Beachtlich ist dabei die Disziplin der 18 freiheitlichen Abgeordneten, die je nach Stand der Kommunikation zwischen Wien und Klagenfurt einmal dieser, dann jener Meinung sind und letztendlich doch alles dem Koalitionsfrieden unterordnen und wieder einmal gegen ihre Überzeugung stimmen.

Die Überzeugung teilen die meisten Abgeordneten immer noch mit Jörg Haider. Und der vertrat am Dienstagnachmittag bei der Rieder Messe noch die Meinung, die Privatisierung der Voest ließe sich verhindern oder zumindest aufschieben, weil er sich einen "Umfaller von Herbert Haupt" nicht vorstellen könne. Zu diesem Zeitpunkt hatten seine blauen Mitstreiter in Wien aber längst klein beigegeben und sich sogar auf einen gemeinsamen Entschließungsantrag mit der ÖVP geeinigt. In diesem wird der ebenso fromme wie hinlänglich bekannte Wunsch nach einem Erhalt der Entscheidungszentrale in Österreich Ausdruck verliehen - eine schwache Vorstellung. Der Sondersitzung des Nationalrats zum "Ausverkauf" der Voest blieb der Vizekanzler dann auch lieber fern.

Der geballte Ärger Haiders ist Haupt sicher. Dennoch droht ihm als Parteiobmann keine unmittelbare Gefahr aus Kärnten. Haider hat sich soeben festgelegt, bei den Landtagswahlen im März 2004 als Spitzenkandidat der FPÖ anzutreten. Bis dahin wird sich Haupt zwar einiges aus Klagenfurt anhören müssen, er wird aber nicht mehr täglich um sein Amt zittern müssen.

Erstaunlich ist dies deshalb, da Haupt im Herbst 2002 eigentlich erst als vierte Wahl zum Zug kam. Nach dem Rücktritt von Susanne Riess-Passer sollten erst Herbert Scheibner, dann Jörg Haider zum Obmann gekürt werden, ehe schließlich Mathias Reichhold als 40-Tage-Obmann scheiterte und so den Weg für den Tierarzt aus Kärnten freimachte. Seitdem bewegt sich Herbert Haupt als Anhängsel des Bundeskanzlers durch die Innenpolitik.

Mit Haider hat Haupt eine Abmachung getroffen, nämlich die seiner baldigen Ablöse als Parteichef. Allein: Haupt hält sich nicht daran. Aus gutem Grund. Haider selbst hält sich nicht an Abmachungen, daher sieht auch Haupt keinen Grund, seinerseits einer Vereinbarung nachzukommen, die ihn aus der Politik katapultieren würde. Die ständigen Druckwellen aus Kärnten scheinen ihn in seinem Stuhl als Parteiobmann aufrecht zu halten. (DER STANDARD Printausgabe, 3.9.2003)