Dass es auch andere politische Wertemotivationen gibt, habe ich während meines dreijährigen Aufenthaltes in Genf erleben dürfen. Alle meine vier Kinder waren in der öffentlichen Schule untergebracht und zwar von 8.00 Uhr morgens bis 4.00 Uhr nachmittags. Das war gültig und möglich für alle Kinder, egal welcher Nationalität, ab dem 4. Lebensjahr und gratis. Nur für das ausgezeichnete Mittagessen habe ich einen kleinen Beitrag entrichtet.
Alle Unterrichtsmaterialien und Bastelutensilien wurden gratis von der Schule zur Verfügung gestellt. Meine Kinder haben unter anderem wunderschöne Stofftiere aus wirklich teuren Stoffen genäht, und auf meine Anfrage in der Schule, ob ich nicht einen Unkostenbeitrag zu leisten hätte, wurde ich nur fragend angeschaut. Die Lehrerin meinte wörtlich: "Ja, aus welchem Land kommen Sie denn, wer würde den Geld für so etwas verlangen. Das muss sich ein Staat doch wohl leisten können, sonst macht ja unsere Arbeit und überhaupt alles keinen Sinn."
Dieser Satz wird mir immer in Erinnerung bleiben, und ich wünsche meinen Kindern, dass sie einmal Arbeitserlaubnis im Kanton Genf erhalten und in der Lage sein werden, sich die Familie und die Kinderanzahl, die sie sich selbst auswählen, auch leisten zu können. Die überwiegende Mehrheit der österreichischen jungen Frauen lebt nach dem Entschluss zum Kinderkriegen mit der Perspektive, lange Zeit nicht arbeiten zu können und dann das Einkommen jahrelang für die Betreuung und für Schulsachen ausgeben zu müssen. Und die Kosten sind schon für ein Kind enorm.
Die Einstellung, die Schule sei keine Betreuungseinrichtung, empfinde ich angesichts der vielen arbeitslosen JunglehrerInnen und gleichzeitig jährlich schrumpfender Schülerzahlen schlichtweg zynisch. Wenn die Sorgen und Wünsche der Mütter im Mittelpunkt zukunftsorientierter Politik stünden und jedes Kind in Österreich wirklich als wertvoll erachtet würde, blieben uns entbehrliche Wertedebatten erspart ...