Wien - "Na hat's die jetzt gegeben, die Gaskammern?", fragt der Richter. "Ich weiß es nicht", erwidert der Angeklagte, "ich war ja nicht dabei." - "Und sind dort Millionen Menschen getötet worden?" - "Nicht mit Zyklon B und Diesel-Abgasen, wie es in den Büchern steht." - "Und anders?", fragt der Richter. - "Kann ich nicht sagen."

Der Mann, der in der Notlage zwar etwas vorsichtiger formulieren, aber nicht umdenken kann, heißt Wolfgang F. und ist 52 Jahre alt. Anfang der Neunzigerjahre beklagte der Techniker und freiheitliche Bezirksrat "die multikulturelle Bastardisierung der Gesellschaft". Da schloss ihn die Partei aus. Mehrere Jahre wurde er wegen Verdachts der NS-Wiederbetätigung per Haftbefehl gesucht. "Ich war im politischen Asyl in einer ausländischen Botschaft in Wien", verrät er dem Gericht. Jetzt verurteilt ihn ein Wiener Geschworenengericht wegen seiner beharrlichen öffentlichen Verbreitung der Auschwitz-Lüge zu drei Jahren teilbedingter Haft.

F. hat einige Dutzend Gesinnungsfreunde aus der Kriegsgeneration mitgebracht, die ihren Unmut über den Geschworenenprozess immer wieder laut äußern. Zu Mittag lässt der Richter den Saal räumen, weil er durch die Verbalattacken der Zuhörer "die Sicherheit des Gerichts als gefährdet" ansieht. "Sie Ferkel", zischt es durch die Ränge der aufgebrachten Senioren. "Gute Nacht, Österreich!", schreit einer. Und: "Wer gibt Ihnen dazu das Recht, Herr Regisseur?"

Für Aufsehen sorgte auch der selbst ernannte Porno-Jäger Martin Humer, der als Zuhörer an der Verhandlung teilnahm. Zunächst versuchte der 77-Jährige, die Geschworenen zu fotografieren, was ihm das Gericht untersagte. Schließlich wurde er sogar des Saales verwiesen. Wie eine beisitzende Richterin dazu erklärte, soll Humer plötzlich aufgestanden sein und verlangt haben, das Gericht möge ihm "endlich erklären, was Zyklon B ist".

Auch F.s in einschlägigen Kreisen begehrter Verteidiger Herbert Schaller tut seines für die Stimmung im Saal. Im Verbotsgesetz erblickt er "Anklänge an die Diktatur". Sein Mandant sei ein "gewaltfreier Meinungsäußerer", der in seinen Informationsschriften "ausschließlich naturwissenschaftlich haltbare Theorien" aufgestellt habe. Das Gericht solle das gefälligst überprüfen. Überdies fragt sich Schaller: "Wo ist das Verbrechen, wenn ich was schreibe?" Und er rechtfertigt sich auch persönlich vor den Geschworenen: "Ich bin kein Nazi-Anwalt. Einer, der einen Mörder verteidigt, ist ja auch kein Mörder-Anwalt." Überhaupt versteht er nicht, was an den physikalischen Überlegungen F.s so schlecht sein soll: "Es wäre doch eine große Freude, wenn es diese scheußlichen Massenmorde an Juden gar nicht gegeben hätte, weil es die Naturwissenschaft nicht erlaubt." Da raunt es in den Zuschauerrängen. Solche Worte machen einem das Verdrängen leichter.

Wolfgang F., ein zynischer Lächler, bekennt sich "natürlich nicht schuldig". Er rückt nicht weit vom Inhalt seiner propagandistischen Publikationen ab. Die von der "orthodoxen Geschichtsschreibung" behaupteten Massentötungen seien "so absolut unmöglich" gewesen, also "technisch-physikalischer Nonsens". Als ausgebildeter Verfahrenstechniker wisse er, dass Blausäure "das Dümmste ist, was man verwenden hätte können". An den Richter appelliert er: "Wenn Sie nur ein bisschen Heimwerkerverständnis haben, werden Sie mich verstehen." - "Mich lassen Sie da gefälligst aus dem Spiel", reagiert dieser schroff. (Daniel Glattauer, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 4.9.2003/APA)