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John Warnock, Mitbegründer der globalen "Adobe Systems", im Gespräch mit Doris Krumpl.


Standard: War Code DAS große Thema, als Sie Adobe zu entwickeln begannen?

Warnock: Als Adobe 1982 startete, waren Computer extrem langsam, mit wenig Speicher. Deshalb stand Wirtschaftlichkeit bei Programmen an erster Stelle. Unser erstes Produkt, der Apple Laserwriter, beinhaltete den stärksten Computer, den Apple bis zu dem Zeitpunkt gemacht hatte.

Standard: Welche großen Veränderungen haben Sie im Bereich der Computerprogrammierung festgestellt, von 1982 bis heute?

Warnock: Ich spreche von Konstanten: Weil Adobe interaktive Software produziert, die Millionen Leute nutzen, achtete man immer darauf, konservative Programmierungstechniken anzuwenden, um sicherzugehen, dass die Programme stabil und betriebssicher sind.

Standard: Wie sehen Sie die aktuelle Situation im Silicon Valley und die Industrie allgemein nach dem großen Hype?

Warnock: Ich bin immer noch so zuversichtlich wie nie zuvor über das Potenzial des Internets. Offensichtlich war der Hype dem Markt voraus. Nach dem Crash haben die Venture-Capitalists (VC) überreagiert und komplett zurückgezogen - was das Falsche war. Die VCs beginnen nun zurückzukommen, aber viele gute junge Firmen sind in der Zwischenzeit von der Bildfläche verschwunden.

Standard: Peter Bentley, ein weiterer Sprecher am Ars-Symposion, propagiert, dass neue Arten von Computercodes nach dem Vorbild der Natur, selbstorganisierende Systeme sein sollten, weil er denkt, dass heutige Codes "ineffizient und langsam" seien sowie "Riesenmengen an überholtem Code" beinhalteten. Was meinen Sie dazu?

Warnock: Programme altern, wachsen über die Rahmen hinaus, auf denen sie basierten. Firmen müssen Programme systematisch updaten und restrukturieren, um sich an neue Environments und Hardwarelösungen anzudocken. Ich bin skeptisch gegenüber Systemen, die von sich behaupten, zukünftige Entwicklungen vorwegzunehmen oder zu adaptieren.

Standard: Stichwort "Code ist Gesetz": Stimmen Sie da mit Festivalleiter Gerfried Stocker überein, der meint, dass Softwarecodes unseren Geist, unser Leben monopolisieren, Ihr Programm inklusive. Welches Gefühl ist es, mit Adobe global vertreten zu sein?

Warnock: Die globale Nutzung bedeutet Ehre und Verantwortung zugleich. Eine Anstrengung der vergangenen zehn Jahre bestand darin, unsere Programme mit anderen kompatibel zu machen. Das involviert eine unglaubliche Menge an Code-Sharing und Standardisierung von Benutzeroberflächen, Programmen und File-Interfaces. Es gibt immer Platz für Innovationen, aber eine Industrie verändern, wie es Adobe in den 80ern und 90ern tat, setzt voraus, dass sich diese wirtschaftlich rechnen. Man steht immer zwischen Konsistenz und Erneuerung. Leider entstehen genau dort Spannungen.

Standard: Wie stehen Sie zu stark propagierten Open-Source-Netzwerken, zu kollektivem Programmieren?

Warnock: Open Source ist gut, aber letzten Endes muss es Verantwortlichkeit geben. Zeit und intellektuelle Anstrengung, um stabile Systeme zu erhalten, sind nicht gratis.

Standard: "Code ist Kunst": Was halten Sie von (Software-)Kunst?

Warnock: Ich glaube, dass "Kunst" und "Liebe" menschliche Ausdrücke sind; ich wählte sie, um menschliche Aktivität zu beschreiben. Diese Meinung steht vielleicht außerhalb der Norm der diesjährigen Ars-Konferenz.

(DER STANDARD; Printausgabe, 4.09.2003)