Als 16-Jähriger versuchte Iannis Xenakis, die Musik von Bach mit mathematischen Formeln zu erfassen. Nicht unlogisch deshalb, dass später auch seine eigene Tonsetzerei mit rechnerischen Prozeduren viel gemein haben sollten. Xenakis ließ Stücke nach mathematischen Methoden entstehen, er darf als Mitbegründer einer auf der Wahrscheinlichkeitsrechnung basierenden stochastischen Musik gelten.

Xenakis entwickelte Methoden, Musik mithilfe von Computern hervorzubringen, und nutzte für sein kompositorisches Denken auch Mengenlehre, mathematische Spieltheorien oder Ganzheitstheorien. Was so trocken klingt, erlangt allerdings in jenem Augenblick, da es die Klangwelt erblickte, große Unmittelbarkeit und Archaik.

"Das wissenschaftliche Denken gibt mir ein Instrument in die Hand, mit dem ich meine Vorstellungen nicht wissenschaftlichen Ursprungs verwirkliche. Und diese Vorstellungen sind Produkte gewisser Intuitionen und Visionen", meinte der 1922 in Brtaila (Rumänien) Geborene, der in Athen aufwuchs, wo er ein Architekturstudium absolvierte.

1947 kam Xenakis als politischer Flüchtling nach Paris, wo er bis 1960 als Mitarbeiter des Architekten Le Corbusier arbeitete. Gleichzeitig wandte er sich der Musik zu und studierte bei Olivier Messiaen, laut Xenakis ein wichtiger Impulsgeber. (tos/DER STANDARD; Printausgabe, 4.09.2003)