Unter den Journalisten hat Günter Wallraff noch Fans. Einige applaudierten, nachdem sich der prominenteste deutsche Enthüllungsjournalist am Montag in einer Pressekonferenz in Köln gegen den Vorwurf, er sei als Stasi-Spitzel tätig gewesen, zur Wehr gesetzt hatte. In seiner Erklärung führte Wallraff seine Sicht der Dinge aus: Die Vorwürfe hätten "mit der Wirklichkeit gar nichts zu tun", so Wallraff. "Niemals bin ich mit meinen Kontakten zu Offiziellen der DDR irgendwelche Verpflichtungen eingegangen."

Würde man den in den so genannten Rosenholz-Dateien gespeicherten Informationen Glauben schenken, "wäre ich demnach ein Topagent der DDR gewesen", sagte Wallraff. Die Akten seien "Übertreibungen, Erfindungen, Spekulationen". Das Einzige, was man ihm heute vorwerfen könne, sei "Naivität und Leichtfertigkeit" im Umgang mit der Staatssicherheit.

Laut den Rosenholz-Dateien ist Wallraff von 1968 bis 1971 als so genannte "A-Quelle" geführt worden - als Informant, der andere abschöpft hat. Personen, die nur abgeschöpft wurden, hatte die Stasi "Kontaktpersonen" genannt.

Den von der Behörde zur Stasi-Aufarbeitung erhobenen Vorwurf, Wallraff habe Informationen über Kriegsvorbereitungen geliefert, findet der Autor "absurd". Er sei zu der genannten Zeit bereits ein bekannter Schriftsteller gewesen. Hätte er über solche Informationen verfügt, hätte er ein Buch geschrieben. Nachdem er den von der DDR ausgebürgerten Wolf Biermann bei sich aufgenommen habe, sei er "vollends zum Staatsfeind der DDR stilisiert worden".

In der Deutschland wird unterdessen der Ruf nach einer Überprüfung aller Politiker lauter. Denn in den Rosenholz-Dateien, die in der Wendezeit 1989/90 von der CIA in die USA verschleppt und erst dieses Frühjahr zurückgegeben worden sind, finden sich vor allem Informationen über Westdeutsche, die für die Stasi gearbeitet haben.

Die Leiterin der Stasi-Unterlagenbehörde, Marianne Birthler, räumte inzwischen ein, dass ihre Behörde im Fall Wallraff "Fehler gemacht hat". Ihre Behörde hätte schon 1998 ein damals in die Öffentlichkeit gekommenes Stasi-Dossier über Wallraff "als IM-Unterlage" werten müssen. Stattdessen seien noch vor wenigen Wochen Ehrenerklärungen für Wallraff abgegeben worden, so Birthler.(DER STANDARD, Printausgabe, 9.11.2003)