Wien - "Visas for Life": Leider ist diese Ausstellung über Diplomaten, die fünfhunderttausend Juden zwischen 1938 und 1945 das Leben retteten, nur zehn Tage in der Volkshalle des Wiener Rathauses zu sehen (bis 18.9., 10-18 Uhr). Sie wird all denen nicht gefallen, die jubelten, profitierten, in die Wohnungen von Deportierten fröhlich einzogen. Sie wird auch denen nicht gefallen, die sagen, niemand hätte unter dem Druck der Tyrannis helfen können.

Diese Ausstellung greift die Verdrängung aus einer wichtigen - seit "Schindlers Liste" bekannten - Perspektive her an. Denn sie zeigt Geschichte "von unten", Alltagshelden: Insgesamt etwa 500.000 Juden verdanken Diplomaten, die sich über Vorschriften hinwegsetzten, ihr Leben.

Durchreisevisa für Schanghai

Zum Beispiel Feng Shan Ho, von 1938 bis 1940 chinesischer Generalkonsul in Wien: Vor seiner Botschaft in der Johannesgasse drängten sich nach dem Einmarsch und mehr noch nach der Konferenz von Evian am 13. Juli 1938 (32 Länder verhängten einen Einwanderungsstopp) täglich Hunderte Menschen. Während auf der Britischen Botschaft stand: "No Visas" (Ilse Aichingers "Die größere Hoffnung" 1948 beginnt genau mit diesem Konflikt), stellte Ho, gegen den Willen seines Vorgesetzten, Durchreisevisa für Schanghai aus, das noch Flüchtlinge aufnahm.

Fünfhundert Visa im Monat, zwei Jahre lang, bis Feng Shan Ho, der Befehlsverweigerer, abberufen wurde; 1997 starb er in großer Armut in San Francisco, blieb aber bei seinem Satz: "Ich fand es nur natürlich, Mitleid zu fühlen und zu helfen."

Falsche Taufscheine

Durch die Ausstellung gehend, zeigt deren Gestalter Eric Saul (San Francisco) nicht nur ein Foto von Angelo Roncalli, dem späteren Papst Johannes XXIII., der als Nuntius in Istanbul 24.000 falsche Taufscheine für Juden ausstellte, sondern auch das eines Mitarbeiters der deutschen Botschaft in Budapest: "Das war ein Nazi, aber er warnte, als die Gestapo Aushebungen plante." - So gerecht ist diese Ausstellung auch, voller Spannung und Spannungen.

Dafür noch ein Beispiel: Just die Schweiz, die das "J" auf den Pässen verlangte und solcherart Gekennzeichnete zu Zehntausenden in den sicheren Tod zurückschickte, hat auch das Gegenbild vorzuweisen: Carl Lutz, Vizekonsul in Budapest von 1942 bis 1945. Er rettete - auch in Zusammenarbeit mit den Schweden um Raoul Wallenberg - mit Schutzpässen etwa 70.000 Menschenleben: Mit den deutschen Okkupanten hatte er in Budapest "8000 Einheiten" für die Auswanderung ausverhandelt. Er machte achttausend Familien daraus. Und sagte: "Mit der illegalen Aktion will ich nur dem illegalen Mord an Millionen Menschen entgegentreten."

(Richard Reichensperger, DER STANDARD, Print, 09.09.2003)