Zürich/München/Berlin/Frankfurt - Der Machtkampf zwischen Premier Abbas und Präsident Arafat sowie die Zukunft des Nahost-Friedensfahrplans sind am Donnerstag Gegenstand von Pressekommentaren. "Tages-Anzeiger" (Zürich):

"Beide Seiten (Israelis und Palästinenser) hatten zwar Ja gesagt zum Friedensplan. Sie handeln aber, als hätten sie ein Nein hinterher geschoben. Der palästinensische Ministerpräsident Abbas hat die Terrorgruppen nicht aufgelöst. Israel seinerseits baut Siedlungen weiter aus und hat die Waffenruhe als Normalisierung des israelischen Alltags missverstanden - während sich in den palästinensischen Gebieten für die Zivilbevölkerung nichts geändert hat. (...) Nutznießer ist wieder einmal Arafat, der sein (wievieltes?) Comeback feiert."

"Süddeutsche Zeitung":

"Der Versuch der USA und Israels, Arafat durch Isolation zu entmachten, ist fehlgeschlagen. Arafat erlebt derzeit ein Comeback und er nährt somit den Ruf, er sei nicht tot zu kriegen. (...) So wenig, wie es den USA gelingen mag, dem Irak zu einer stabilen demokratischen Regierung zu verhelfen, genauso wenig lässt sich der Nahost-Konflikt lösen. Der Friedensfahrplan erweist sich als Fata Morgana; Arafat attestiert ihm nun den Tod. (...) Palästinensische Terroristen haben die Waffenruhe aufgekündigt und töten Israelis, Israel wiederum setzt die Liquidierungen mutmaßlicher palästinensischer Terroristen fort. Beide Seiten hatten Ja gesagt zum Plan. Aber sie handeln, als wären sie damit keine Verpflichtungen eingegangen."

"Berliner Zeitung":

"Arafat dürfte klar sein, dass er bei einem Sturz von Abbas nur verlieren würde: Denn sollte der Ministerpräsident seinen Posten verlieren, dann könnte auch Arafats Versicherungspolizze auslaufen. (...) Umgekehrt verhält es sich kaum anders. Würde Arafat von israelischen Truppen ins Zwangsexil geschickt, bliebe Abbas' Regierungsmannschaft nur eines übrig: in Solidarität mit dem palästinensischen Symbolträger kollektiv zurückzutreten. Dieses Szenario kann nicht im Interesse der USA liegen. (...) Doch Abbas' Position ist auch ohne Arafats Querschüsse schwierig. In Gaza und im Westjordanland hängt ihm der Ruf an, ein Handlanger der USA zu sein. Seinem Volk kann Abbas wenig Erfolge vorweisen. Der von ihm unterstützte Friedensfahrplan trat selbst zu besseren Zeiten, während der siebenwöchigen Waffenpause, auf der Stelle, nicht zuletzt dank der Hinhaltetaktik des israelischen Premiers Sharon."

"Frankfurter Rundschau": "Abbas und Arafat können schlecht miteinander, aber sie brauchen sich gegenseitig. (...) Angesichts der realpolitischen Verhältnisse forderten 270 palästinensische Intellektuelle und Politiker jetzt in einem offenen Brief Arafat und Abbas auf, ihre Differenzen beizulegen und sich stattdessen gemeinsam den eigentlichen Problemen zu widmen: der israelischen Besatzung. Auch deshalb gilt als wenig wahrscheinlich, dass das Parlament sich zu Gunsten Arafats von dem ersten palästinensischen Premier lossagt. Das ist auch im Sinne Washingtons, das schließlich erst im Frühjahr dem geächteten PLO-Chef die Ernennung eines Regierungschefs abtrotzte. Allerdings hat es Abu Mazen bislang wenig genützt, als Hoffnungsträger des Westens dazustehen..." (APA/dpa/AFP)