Frankfurt - Erstmals seit Beginn der Währungsunion entscheidet der EZB-Rat am Donnerstag ohne seinen Präsidenten Wim Duisenberg über die Leitzinsen in der Euro-Zone. Die Währungshüter werden nach Einschätzung von Experten bei ihrem Treffen, an dem der scheidende Präsident wegen eines schon lange zugesagten Termins nicht teilnimmt, den Schlüsselzins von 2,00 Prozent nicht ändern.

Nach jüngsten Daten scheint die Wirtschaft der Euro-Zone nach drei Jahren Talfahrt langsam wieder Tritt zu fassen. Zudem ist der Euro nach seinem Anstieg zum Dollar bereits seit Juni im Rückwärtsgang.

Wichtiger Faktor

Die starke Aufwertung der Gemeinschaftswährung war ein wichtiger Faktor, der der EZB ermöglichte, die Zinsen angesichts geringer Inflation und schwacher Konjunktur zu senken. Nur ein erneuter Einbruch der Konjunktur und ein preisdämpfender stabiler Wechselkurs würde die EZB nach Einschätzung von Analysten zu einer weiteren Zinssenkung veranlassen.

Dass die Währungshüter derzeit keinen Handlungsbedarf sehen, verdeutlichte zuletzt Bundesbankpräsident Ernst Welteke. Der Leitzins habe in Deutschland das niedrigste Niveau seit 1876 erreicht. "Was würde ein niedrigeres Zinsniveau erreichen?", sagte er der Londoner Zeitung "Daily Mail". Wenn das Risiko steigender Inflationsraten eingegangen würde, könnten die langfristigen Zinsen am Rentenmarkt steigen und der Konjunktur schaden.

Entscheidung am frühen Nachmittag

Wie üblich wird die Zinsentscheidung um 13.45 Uhr bekannt gegeben. Die Entscheidung wird dieses Mal von Vizepräsident Lucas Papademos ab 14.30 Uhr vor der Presse begründet. Duisenberg weilt am Donnerstag bei einer Konferenz ehemaliger Zentralbankchefs in Kanada. Er hatte seine Teilnahme schon zugesagt, als er noch davon ausging, wie ursprünglich geplant bereits im Juli aus dem Amt zu scheiden. Ein Gerichtsverfahren um Duisenbergs designierten Nachfolger, den französischen Notenbankchef Jean-Claude Trichet, hatte die Amtsübergabe dann aber verzögert. Trichet soll nun zum 1. November den EZB-Chefposten übernehmen. (APA/Reuters)