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Factbox Diabetes-II

Grafik: APA/Schmitt
Wien - Eine neue gegründete Initiative - das Diabetes Forum Austria - will schlechte Blutzucker-Einstellungen und die Todesopferzahl unter österreichischen Diabetikern ändern. Dazu helfen soll auch ein neues ultra lang wirksames Insulin (Insulin glargin), das nur noch ein Mal pro Tag gespritzt werden muss. Dies erklärten am Donnerstag Experten bei einer Pressekonferenz in Wien.

"Diabetes ist eine Erkrankung, die dramatisch zunimmt. Das Wachstum beträgt fünf Prozent pro Jahr. Es gibt keine chronische Erkrankung, bei der die Zahl der Patienten stärker steigt. Wenn es so weiter geht, werden wird am Ende das Jahrhunderts weltweit eine Milliarde Zuckerkranke haben. Ein Drittel der Herzpatienten sind Diabetiker. Etwa die Hälfte der Fußamputationen werden bei Zuckranken durchgeführt", erklärte der Gründer der neuen Initiative, der Wiener Diabetologe Univ.-Prof. Dr. Guntram Schernthaner (KH Rudolfstiftung).

Grundproblem

Grundproblem sind die Spätkomplikationen, die besonders Typ 2 Diabetiker ("Altersdiabetes") betreffen: Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Nierenversagen, Netzhaut- und Nervenschäden (Erblindung). Der Wiener Kardiologe Univ.-Prof. Dr. Jörg Slany (KH Rudolfstiftung): "Ein Diabetiker ist doppelt so schlecht dran wie ein Nicht-Diabetiker. Finnische Wissenschafter haben gezeigt, dass 20 Prozent der Infarktpatienten zuckerkrank sind. Bei einer genauen Untersuchung stellte sich aber heraus, dass zwei Drittel der Infarktpatienten Diabetes oder eine Glukoseintoleranz (Vorstufe, Anm.) hatten. Somit wiesen nur ein Drittel der Infarktpatienten keinen diabetischen Stoffwechsel auf."

Daraus ergibt sich laut dem Fachmann: Praktisch alle Zuckerkranken sind auch gefäßkrank. Slany: "Noch gesunde Diabetiker wiederum erleiden so häufig einen Infarkt wie Nicht-Diabetiker, die schon einen gehabt haben." Das Risiko sei insgesamt immer zwei bis drei Mal so hoch.

Nierenkomplikationen

Gefürchtet sind auch die Nierenkomplikationen bei den Zuckerkranken. 30 bis 50 Prozent der Patienten mit dem terminalen Nierenversagen sind Diabetiker. Das macht in den meisten Fällen eine Blutwäsche drei Mal pro Woche (Dialyse) notwendig. 50 Prozent der Zuckerkranken unter Dialyse sterben binnen fünf Jahren.

Univ.-Prof. Dr. Rudolf Prager, Vorstand der 3. Medizinischen Abteilung am Krankenhaus Lainz: "70 Prozent der Typ 2 Diabetiker haben schon bei der Diagnose ihrer Zuckerkrankheit einen Bluthochdruck." Dieser allein schon sei buchstäblich Gift für die Nieren. Auch die erhöhten Blutzuckerwerte schädigen die Organe.

Blutzuckereinstellung

Um und Auf ist daher eine möglichst optimale Blutzuckereinstellung. Schernthaner: "Man weiß, dass 80 Prozent der Diabetiker den geforderten HbA1c-Wert von weniger als sieben Prozent nicht erreichen." Der HbA1c-Wert - die "Zuckerbeladung" der roten Blutkörperchen - gibt Auskunft über die Blutzuckereinstellung in den vorangegangenen zwei Monaten.

Der Diabetologe: "Wir müssen uns bemühen, bei mehr Patienten einen HbA1c-Wert von weniger als sieben Prozent zu erreichen. Senkt man ihn um ein Prozent, verringert sch das Herzrisiko der Diabetiker schon um 18 Prozent." Dazu auch Prager: "Reduziert man den HbA1c-Wert um einen Prozentpunkt, verringert sich das Risiko einer Nierenschädigung um 40 Prozent."

Altersdiabetes

In Österreich gibt es mehr als 500.000 Zuckerkranke. Nur rund zehn Prozent davon sind Typ 1 Zuckerkranke (juveniler Diabetes), die auf jeden Fall auf Insulin-Injektionen angewiesen sind. Doch laut den Experten bekommen kaum mehr als zehn Prozent der Typ 2 Diabetiker ("Altersdiabetes") Insulin.

Spezialist Univ.-Prof. Dr. Guntram Schernthaner: "Die Therapie der Bequemlichkeit ist es, Tabletten (orale Antidiabetika, Anm.) einzunehmen und keine Diät zu halten. Doch das reicht oft nicht aus. Entscheidend wäre es bei Typ 2 Diabetikern, den Nüchternblutzucker in den Normalbereich zu bringen. Wir müssen mit der Insulintherapie früher beginnen. Es gibt jetzt ein neues Insulin, das man nur ein Mal täglich injizieren muss."

Basisinsulin

Dieses Insulin glargin ("Lantus"/Aventis) ist ein gentechnisch hergestelltes, in seiner Aminosäuren-Zusammensetzung an einigen Stellen verändertes Insulin. Es wirkt laut Schernthaner fast völlig gleichmäßig 24 Stunden hinweg und eignet sich deshalb besonders als "Basisinsulin". Gleichzeitig gibt es eine wesentlich geringere Gefährdung durch "Unterzuckerung" (Hypoglykämien).

Freilich, derzeit ist dieses Insulin nicht auf Kassenrezept verschreibbar. Schernthaner: "Wir fordern, dass dieses Insulin auch in Österreich finanziert wird. Genau genommen beträgt die Kostendifferenz (zur Verwendung herkömmlicher Insuline, Anm.) 37 Cent pro Tag. Meine Sorge ist, dass das der Chefarztpflicht unterliegen könnte. Da kann sich eine Zwei-Klassen-Medizin bei Diabetes entwickeln, was ich nicht will." Bei Typ 2 Diabetikern, bei denen man mit den herkömmlichen oralen Antidiabetika nicht auskomme, seien die geforderten HbA1c-Werte anders kaum zu erreichen. (APA)