Die ugandische Armee muss die Nahrungsmitteltransporte der UNO im Norden des Landes scharf bewachen. Angriffe der Rebellen der „Lord Resistance Army“ drohen

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Der Erzbischof Odama aus der Diözese Gulu im Norden Ugandas hat der internationalen Gemeinschaft zynische Untätigkeit gegenüber der dramatischen Situation in seiner Heimat vorgeworfen, die einem Völkermord gleichkomme. Er forderte die Entsendung einer internationalen Friedenstruppe in die Region, weil die christlich-fundamentalistische Untergrundarmee „Lord Resistance Army“ (LRA) die Bevölkerung terrorisiere und zur Flucht zwinge. Odama hielt der ugandischen Regierung vor, die Sicherheit im Norden des Landes nicht garantieren zu können. Seit Jahren verspreche die Regierung unter Präsident Yoweri Museveni, die Rebellen zu besiegen, aber die Worte der Politiker hätten sich bisher als folgenlos erwiesen.

Auch das Welternährungsprogramm der UNO (WFP) ist bei der Verteilung von Lebensmitteln im Norden Ugandas auf Armeeschutz angewiesen. 140 Soldaten und drei schwer bewaffnete, gepanzerte Fahrzeuge begleiten die WFP-Konvois in die Flüchtlingslager, um der ständig wachsenden Bedrohung durch die LRA-Rebellen zu begegnen, so Kisa Wanbira, Leiter des WFP-Büros in Kitgum.

Besonders betroffen sind die Distrikte Gulu, in der Erzbischof Odama lebt, Kitgum und Pader. Die Angst vor LRA-Überfällen zwinge die Leute zur Flucht aus ihren Dörfern in zurzeit insgesamt 52 Camps. Dort sind sie zu einer Existenz als Binnenflüchtlinge gezwungen – in Lagern, oft nur wenige Kilometer von ihren Dörfern entfernt. Ihr Bewegungsraum ist aber auf rund einen Kilometer umdas Camp eingegrenzt, wobei auch hier bereits Gefahr droht.

Kannibalismus

Lira Palwo ist eines jener Lager in Pader. Es wurde letzten Oktober gegründet, nach einer besonders grausamen LRA-Attacke. Die Rebellen überfielen eine Siedlung nur wenige Hundert Meter außerhalb des heutigen Camps, töteten drei Einwohner und kochten sie. Anschließend versuchte man die Überlebenden zum Kannibalismus zu zwingen. Dann griff das Militär ein. Heute leben 16.750 registrierte Binnenflüchtlinge in Lira Palwo, die inoffizielle Zahl liegt bei rund 19.000. „Wir sind nicht freiwillig hier“, beschreibt Oryema Charles Wamala die Lage. „Die Unsicherheit zwingt uns dazu. Niemand beschützt uns in unseren Dörfern.“ Mit sechs Familienmitgliedern teilt er eine winzige, strohgedeckte Lehmhütte. „Täglich sterben im Lager fünf bis siebenMenschen, die Hälfte davon Kinder unter fünf Jahren“, erklärt Akello Jacqueline Orot die Situation in Lira Palwo. Sie ist Leiterin der kleinen Gesundheitsstation. „Die Leute verhungern oder sterben an Malaria. Hier gibt es zu wenig Nahrung für alle.“ Das WFP kann die Flüchtlinge nur beschränkt unterstützen. 37,5 Kilo Mais und 12,5 Kilo Bohnen werden pro Monat und Haushalt – durchschnittlich verteilt. Die ugandische Armee muss die Nahrungsmitteltransporte der UNO im Norden des Landes scharf bewachen. Angriffe der Rebellen der „Lord Resistance Army“ drohen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 5.9.2003)