Laut IHS droht einigen Gemeinden die völlige Zerstörung der noch bestehenden Nahversorgung. 2001 gab es östereichweit bereits 299 Gemeinden ohen Nahversorgung

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Graz - Eine neue Studie des Instituts für Höhere Studi- en (IHS) lieferte den heimischen Händlern jetzt Munition, Maßnahmen "gegen den Wildwuchs" bei Einkaufszentren zu fordern.

Das neu errichtete Einkaufszentrum Shopping City Seiersberg an der Grazer Stadtgrenze mit 78.000 m² Verkaufsfläche zerstöre in zwei Gemeinden - Unterpremstätten und Feldkirchen - zu hundert Prozent die dortige Nahversorgung.

Dies ergab eine Modellrechnung des IHS-Wirtschaftsforschers Christian Helmenstein. Andere anliegende Ortschaften verlören Kaufkraft im einstelligen Prozentbereich - darunter auch Graz. Allerdings reicht der Kaufkraftverlust im Falle der steirischen Landeshauptstadt - zwischen vier und sieben Prozent - aus, um für mehr als zwei Drittel des angenommenen Umsatzes von Seiersberg, 200 Mio. Euro, zu sorgen.

Nahversorgungsabgabe

Mit diesen Ergebnissen im Rücken fordert die Sektion Handel in der Wirtschaftskammer nun eine Nahversorgungsabgabe, die von den Betreibern der Center auf den grünen Wiesen an den Stadträndern dieses Landes entrichtet werden soll. Diese Mittel sollten, so die Vorstellung, dann den Ortskernen dieses Landes zur Verfügung stehen - für die Errichtung von Parkplätzen oder den Denkmalschutz. Als Richtwert für die Höhe nannte Handelssyndikus Hannes Mraz bei einer Wirtschaftskammerveranstaltung in Graz vier Euro pro Quadratmeter.

Derzeit gibt es österreichweit 140 Einkaufszentren mit Verkaufsflächen im Ausmaß von 1,8 Millionen Quadratmetern. Sollte nur die Hälfte der derzeit in der Pipeline befindlichen 100 Projekte realisiert werden, würden rund 600.000 Quadratmeter dazukommen, so Händlerobmann Erich Lemler.

Subventionen

"Wir wollen keine Verhinderungsverordnung, sondern nur die überbordende Entwicklung der Flächen eindämmen", so Mraz weiter. Wirtschaftsforscher Helmenstein assistiert: "Ein rein marktwirtschaftlicher Wettbewerb zwischen Standorten wäre ja kein Problem. Aber die Gemeinden leisten ja indirekte Subventionen wie kostenlose Anschlüsse oder Grundstücke für Einkaufszentren."

Als zweite Maßnahme fordern die Händlervertreter von der Politik, dass man jenen Gemeinden eine Parteienstellung im Genehmigungsverfahren zugestehe, die an jene Gemeinde angrenze, in der das Einkaufszentrum errichtet werden sollte. Der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl sagt zum Fall Seiersberg: "Es war uns nicht einmal möglich, in alle Akten Einsicht zu nehmen."

Diese Forderung bedinge aber, dass für die Raumordnungen der Länder, Einkaufszentren betreffend, ein bundeseinheitlicher Rahmen geschaffen wird. "Wir haben als starken Verbündeten den österreichischen Gemeindebund", so Mraz. Dieser war ja noch ein erbitterter Gegner der Wirtschaftskämmerer, als deren Präsident Christoph Leitl Anfang des Jahres einen Nahversorgungsfonds einforderte, der aus der Kommunalabgabe gespeist werden hätte sollen. (Leo Szemeliker, Der Standard, Printausgabe, 05.09.2003)