Dominik Kamalzadeh

Wien - In der Theorie wusste man es schon geraume Zeit: Dass der Blockbuster ein Nachfahre des Vergnügungsparks ist. Nicht eine komplexe psychologische Erzählwelt nimmt darin den ersten Rang ein, sondern der sinnlich-körperliche Effekt und die Schauwerte zählen. Die Kurven der Achterbahnfahrt und nicht die Windungen des Romans sind sein Vorbild.

In der Praxis stand der Beweis noch aus. Aber wer, wenn nicht Erfolgsproduzent Jerry Bruckheimer (Armageddon) sollte ihn erbringen: Fluch der Karibik/Pirates of the Caribbean - The Curse of the Black Pearl basiert auf einem der populären "theme rides" von Disneyworld in Orlando, Florida. Es soll ihn dort seit 1967 geben. Schon damals galt der Piratenfilm für unwiderruflich tot. Einzelne Wagemutige wie Roman Polanski (Pira- ten, 1986) oder Renny Harlin (Die Piratenbraut, 1995) versuchten, dem Genre Leben einzuhauchen - ohne Erfolg.

Nun scheint es so, als hätte erst das digitale Zeitalter einsetzen müssen, bis die Piraten wieder den Degen schwingen und alle Ingredienzien dieses fantastischen Genres mit vollem Effekt erneut ausgebeutet werden können.

Selten haben Himmel so gestrahlt wie in Fluch der Karibik, die See derart gefunkelt und vor allem Piraten solch wohligen Schauer erzeugt. Sehr metaphorisch durchkreuzt die Mannschaft von Captain Barbossa (Geoffrey Rush) denn auch untot die Meere, seit dem Raub eines Goldschatzes mit einem Fluch belegt. Nur bei Mondschein offenbart sich ihr wahres Antlitz, jenes eines fratzenhaften Skeletts, durch das der Rotwein wie ein Bach hindurchstürzt. Erst wenn der letzte Taler wieder zurückerstattet ist - sprich: eingespielt ist -, dürfen diese CGI-Piraten sterben.

Zum anderen erzählt Fluch der Karibik eine klassische Liebesgeschichte. Da ist die Gouverneurstochter Elizabeth (Keira Knightley), die beim Anblick verwegener Piraten schwach wird, der stocksteife Commodore (Jack Davenport), der sie zur Frau will, und der romantische Held Turner (Orlando Bloom), den sie in Wahrheit liebt.

Piratenleid und Liebesnot eint aber erst eine Figur, die alle anderen an allzu typischen Merkmalen weit übertrifft: Es ist Johnny Depp als Captain Jack Sparrow, die Schießbudenvariante eines Piraten - mit Dreizack, viel Kajalspuren, Goldzahn, Dreadlocks und Pluderhosen, ein (im Original) nuschelnder, an Keith Richards angelehnter Metrosexueller. Er ist die vielleicht einzig richtig originelle Idee von Regisseur Gore Verbinski.

Freibeuter aus Spaß

Sparrow ist ein Freibeuter aus Spaß, aber ohne verlässlichen Kompass, kein Verdammter der Gesellschaft mehr, der zum Nomadentum gezwungen wird. Er kann nirgendwohin zurückkehren, außer zu seinem Verbannungsort, einer Insel, von der er aber immer wieder entkommt. Er verkörpert damit den Kern des Films, der - mit durchaus witzigen Dialogen angereichert - sich dem Genre gegenüber als völlig ahistorisch erweist.

Wie als ironischen Verweis darauf wiederholt Sparrow öfters den Stehsatz, dass man sich noch an diesen und jenen Tag erinnern wird. Dass man bestimmte Grenzen nicht überschritten hat, mag da- ran liegen, dass bei Disney Familientauglichkeit gewahrt bleibt. Trotz klappriger Skelette ist der Film nie unheimlich. Die sinnliche Komponente, von der gute Piratenfilme leben, ist unterspielt.

Verbinski - der schon in Filmen wie dem Remake The Ring gezeigt hat, dass er sich auf das Design von Bildern versteht - malt dagegen opulente Panoramen aus; auch Degenduelle, Kanonendonner und Fluchtszenarien sind überzeugend komponiert. Aber der große Bogen fehlt - darüber können auch die darstellerischen Leistungen nicht hinwegtäuschen. Ein Erlebnispark lebt ja auch nicht vom Zusammenhalt der einzelnen Teile. Vielmehr harrt man, hat man eine Attraktion überstanden, gierig auf die nächste.