Claus Philipp

Wie entledigt man sich als standfester Politiker nicht genehmer Intendanten? Man äußert lautstark die Hoffnung auf einen frischen Wind, auf neue Konzepte. Man schreibt neu aus. Und dann nimmt man möglicherweise trotz Ausschreibung einen genehmeren Intendanten, möglicherweise einen, mit man ohnehin längere Zeit geliebäugelt hat. Und dann, ja dann: Friede, Freude, Eierkuchen!

Dies dachte wohl auch der VP-Kunststaatssekretär Franz Morak, als er die Trennung von den unliebsamen Diagonale-Leitern Christine Dollhofer und Constantin Wulff in die Wege leitete - und damit nicht nur wenig Geschick bewies, sondern nachhaltig Unglück auf das bis dato höchst erfolgreiche Grazer Festival des österreichischen Films geladen hat.

Nein, wir wollen hier nicht noch einmal die maßlos verspätete Ausschreibung und die höchst mangelhafte Kommunikationskultur Moraks beklagen. Sie scheinen mittlerweile geradezu lässlich im Vergleich mit den chaotischen Entwicklungen, die sich seit der Bestellung des Belgrader Intendanten Miroljub Vuckovic und des Geschäftsführers Tillmann Fuchs abzeichnen. Es nimmt nur wunder, dass Morak, zuerst so besorgt um die Diagonale, nicht längst wieder Unbehagen äußert.

Denn: Seit Monaten sind Vuckovic und Fuchs nicht fähig, mit ebenjenem Konzept, auf dessen Basis sie doch offenkundig Morak überzeugt haben mussten, an die Öffentlichkeit zu treten. Seit Mai sehen sie sich außerstande, klar zu definieren, welche Rolle der österreichische Film im Rahmen eines angedachten Südosteuropa-Festivals spielen soll.

Vergangene Woche erst brachen Vuckovic und Fuchs ihr langes (ratloses?) Schweigen - und gaben bekannt, dass sie in Sachen Austrokino offenkundig nicht über die nötige Kompetenz verfügen. Engagiert wurde nun als Österreich-Kurator des Kurators der ehemalige Viennale- und Wiener Filmfondschef Wolfgang Ainberger. Aber wo, wo bitte bleibt das schlüssige Konzept? Wo bleibt jenes Papier, auf dessen Basis Morak sagte: Endlich! So und nicht anders kann die Diagonale noch erfolgreicher werden!

Zunehmend erhärtet sich der Verdacht: Dieses Konzept gibt es möglicherweise (noch) nicht. Oder: Wenn es je ein Konzept gab, dann war es mit der heimischen Branche bzw. mit dem, was Vuckovic und Fuchs dafür hielten, nicht vereinbar.

Aber es kommt noch härter. Einigermaßen nervös wegen des langen Schweigens waren zuletzt auch die österreichischen Filmschaffenden. Also lud der Produzentenverband die neue Diagonale-Führung kürzlich zu einem Hintergrundgespräch. Erfreulicherweise sagten Vuckovic, Fuchs und Ainberger zu - und was sie dabei zum Besten gaben, war atemberaubend. Atemberaubender Unsinn, den man sich erst einmal auf der Zunge zergehen lassen muss. Unsinn, über den die gesamte Branche gerne lachen würde, wenn er nicht so tragisch wäre.

Da hieß es also: Alles wird anders, größer, besser. Die Diagonale soll ein so genanntes A-Festival werden, Graz in einer Reihe neben Cannes, Berlin, Venedig stehen. Jeder österreichische Film (aber bitte möglichst nur Uraufführungen!), der bei der Diagonale prämiert wird, solle, so Ainberger, üppig Referenzgeld erhalten.

Nein, besser, nicht nur alle prämierten, sondern alle eingeladenen Filme sollten Geld erhalten. Ein paar Produzenten, erstaunt bis belustigt, zückten die Taschenrechner: Nach den gängigen Referenzrichtlinien des österreichischen Filminstituts bedeutet dies eine versprochene Ausschüttung von etwa zwei Millionen Euro - bei einem Festival, das dem Vernehmen nach mit einem Budget von 1,2 Millionen Euro sein Auskommen finden muss.

Nonsens, riefen die Produzenten. Wer soll das bezahlen? Wem nimmt man dieses Geld weg? Und wie will man die dafür nötigen Bedingungen bis zur Diagonale im März 2004 schaffen? Auch diese Frage bereitete Vuckovic kein Kopfzerbrechen. Natürlich werde es drei Jahre dauern, alles zu etablieren. Er wolle als Verantwortlicher für die Südosteuropa-Schiene übrigens nicht unbedingt viele Filme zeigen, sondern vielleicht nur acht. Anwesende fragten sich dem Vernehmen nach, ob es dann nicht klüger gewesen wäre, Ainberger zum Diagonale-Chef zu machen - und Vuckovic zum Subkurator.

Und so weiter. Als DER STANDARD bei Wolfgang Ainberger nachfragte, ob das, was man da so hört, ernst gemeint sei, wurde er auf die eine erste offizielle Präsentation am 26. September verwiesen. Und: "Wir können doch jetzt kein Konzept präsentieren, von dem wir noch nicht einmal wissen, ob es umsetzbar ist!" Es gebe immer noch vereinstechnische Probleme: Tatsächlich erhielt die neue Diagonale von ihrem Vorgängerverein keinerlei für die Zukunft notwendige Daten.

Daher: Weiter warten. Angeblich, wie man hört, war jetzt die Idee mit dem A-Festival vielleicht doch nicht so gut. Angeblich soll es doch nur ganz normale Preisgelder (woher?) geben. Angeblich versucht man jetzt im Wissen um wenig Vorbereitungszeit eine schlanke Diagonale noch pragmatisch hinzukriegen. Angeblich? Franz Morak war sich dem Vernehmen nach total sicher, dass er wusste, was er tat.

Derweilen steigt die Skepsis in Sachen Zukunft des Österreichischen Filminstituts (derzeit geleitet von Gerhard Schedl). Dort wird bald ausgeschrieben ...