Rom - In den Streit zwischen dem italienischen Regierungschef Silvio Berlusconi und der Justiz hat sich nun Staatschef Carlo Azeglio Ciampi eingeschaltet. Der Präsident verteidigte die italienischen Richter, nachdem sie Berlusconi in einem Interview mit dem britischen Wochenmagazin "The Spectator"pauschal als "geistesgestört" eingestuft hatte. "Die Italiener vertrauen dem Richterstand als Institution, die die Justiz zum Schutz ihrer Rechte und zum Respekt der Legalität verwaltet", hieß es in einer Presseaussendung Ciampis. Auch Justizminister Castelli war um Kalmierung bemüht, die Opposition sieht Berlusconi in geistiger Nähe von Diktatoren.

Berlusconis Interview mit Boris Johnson, Chefredakteur des konservativen britischen Wochenmagazins "The Spectator", und Nicholas Farrell, Kommentator der italienischen Tageszeitung "La Voce di Rimini" hatte Wellen der Entrüstung ausgelöst. Nachdem Berlusconi den siebenmaligen Ministerpräsidenten Giulio Andreotti gegen die Vorwürfe der Mafia-Zugehörigkeit verteidigt hatte, fügte er hinzu, dass die Richter in Italien "geistesgestört" seien. "Erstens, weil sie politisch beeinflusst sind, zweitens, weil sie sowieso geistesgestört sind. Man muss geistesgestört sein, um diesen Beruf auszuüben. Wenn Richter diesen Job haben, ist es, weil sie anthropologisch vom Rest der menschlichen Rasse verschieden sind. Daher arbeite ich, um alles zu reformieren", rechtfertigte der Regierungschef seinen Kurs.

Berlusconi, seit 1. Juli EU-Ratspräsident, hatte die beiden Journalisten vor wenigen Tagen in seiner Sommerresidenz auf Sardinien getroffen. Im Interview fügte er hinzu, dass nur acht Prozent der Italiener dem Justizsystem vertrauen. Der Ministerpräsident bestritt auch die Vorwürfe, im Rahmen der Privatisierung des Lebensmittelkolosses SME die Richter bestochen zu haben. "Weder ich noch mein Unternehmen Fininvest haben etwas mit dieser Affäre zu tun", versicherte Berlusconi.

Der EU-Ratspräsident sparte nicht mit Attacken gegen italienische und ausländische Medien. "80 Prozent der Journalisten gehören der Linken an. Sie haben enge Beziehungen zu ausländischen Medien, denen ich keine Interviews mehr gebe. Sie berücksichtigen nicht, was ich tue oder sage, sie schreiben nur, was sie bereits im Kopf haben", klagte der Regierungschef.

Nachdem Berlusconis Sprecher, Paolo Bonaiuti, am Donnerstag die Worte des Ministerpräsidenten relativiert und von einer "offensichtlichen journalistischen Ausmalung" der Tatsachen durch die beiden Medienvertreter gesprochen hatte, versuchte auch Justizminister Roberto Castelli die Wogen zu glätten. "Die Regierung bestätigt ihr volles Vertrauen in den Richterstand", betonte Castelli. Er klagte, dass eine offenkundig paradoxe Aussage Berlusconis zu einer Attacke gegen den gesamten italienischen Richterstand aufgebauscht worden sei.

Die Opposition lässt sich jedoch nicht so einfach beschwichtigen. "Man kann nur hoffen, dass Berlusconi nicht denkt, was er im Interview behauptet", sagte der Bürgermeister von Rom, Walter Veltroni. "Berlusconi nimmt sich (am chilenischen Diktator Augusto) Pinochet ein Beispiel", fügte der Sprecher der Italienischen Kommunisten (PDCI), Marco Rizzo, hinzu. Vertreter der Linksdemokraten behaupteten, dass ein liberales Land wie Italien einen Premierminister wie Berlusconi nicht verdiene. (APA)