Allein in Großbritannien sind die Auflagenzahlen von Managementbüchern seit Anfang der Neunzigerjahre um 30 Prozent gesunken. Spätestens seit dem Blockbuster 1982 "In Search of Excellence" wissen wir: Was zwischen Buchdeckeln funktioniert, klappt nicht unbedingt innerhalb der Fabrikmauern. Und: Die neue große Idee ist nicht in Sicht - laut Financial Times. Deren aktuelle Artikelserie über Managementgurus könnte leicht als Nachruf denn als Porträt verstanden werden. Das wäre falsch - wir brauchen nämlich manche Gurus, denn sie machen:
- Unsichtbares sichtbar - und dadurch gestaltbar. Für viele "zahlen- und faktenorientierte Linkshirne" in den Führungsetagen wurden erstmals "weiche Themen" greifbar: Wie kann Lernen institutionalisiert werden? (Peter Senge); wie können sich Organisationen ändern? (Rosabeth Moss Kanter); oder: Welche Rolle spielt der "EQ", die Messlatte für emotionale Intelligenz, in Führungssituationen? (Daniel Goleman) - gerade in Zeiten, in denen ROI und Kostendenken dominieren, geraten softe Faktoren ins Hintertreffen. Diese sind es aber, die die Veränderungs- und Zukunftsfähigkeit von Menschen und Unternehmen ausmachen.
- Bewährtes aktuell - und damit jederzeit relevant. Nur weil man es wiederholt, ist Gutes nicht schlecht. So ist die kompromisslose Ausrichtung an der Qualität seit dem Ende des 19. Jahrhunderts ("Made in Germany") bekannt.
In Japan erlebte der Qualitätsgedanke in den Fünfzigerjahren eine Renaissance, und fand in den Achtzigerjahren über GE unter dem Schlagwort "Six Sigma" weltweit wieder Nachahmung. Qualität zu vernachlässigen wäre genauso gefährlich wie das Ignorieren von Kotlers ausgearbeiteten Marketing-Basics.
- Ideen populär - und damit anwendbar. Drucker steht für Management, Porter für Strategie, Handy für Organisation und Hammer für Reengineering. Die Personifizierung von Konzepten bereitet erst den Weg für deren Verbreitung und Anwendung in den Unternehmen. Identifikationsfiguren machen nämlich Komplexes und Abstraktes (be)greifbar - in der Wirtschaft wie in der Politik. Man denke an den "dritten Weg" von Schröder und Blair oder an Erhardts "soziale Marktwirtschaft".
- Management zur Wissenschaft - und damit erlernbar. Unter den Top Ten der 200 berühmtesten Gurus finden sich allein sieben Professoren führender Business-Schools. Ob Porter oder Mintzberg, ihre Ideen und Konzepte basieren auf langjähriger Forschungsarbeit, liefern neue Erkenntnisse und werden dann zu lehrbarem Praxiswissen. So bauen Bücher wie "Built to Last" und "Good to Great" von Jim Collins und Jerry Porras auf fundierten, empirischen Untersuchungen über die Faktoren eines nachhaltigen Unternehmenserfolgs auf. Deren Devise ist: "Let results do the talking." Also ein Plädoyer für den Guru?
Ja für einen, der im Sinne der ursprünglichen indischen Wortbedeutung "die Verblendung und Unwissenheit vertreibt", der Managern neue Horizonte eröffnet und ihr Denken bereichert.
Nein für die Heerscharen an selbst ernannten Managementpropheten, die, anstatt unser Wissen zu mehren, genau das Gegenteil tun - uns blenden. Solchen "Lehrern" können wir getrost Goodbye sagen - nicht aber jenen, die uns aus der Denkkomfortzone holen und uns zum aktiven Handeln aufrufen.
Nachlese