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Genf - Im mexikanischen Cancun steht ein Verhandlungsmarathon an, bei dem es um Arbeit und Wohlstand für alle, aber auch um Bauern-Sterben und Parmaschinken geht. Beschlossen werden soll, dass weiter verhandelt wird - und das wäre schon ein großer Fortschritt für die Konferenz der Welthandelsorganisation (WTO) vom 10. bis 14. September. Das Thema ist hochbrisant, denn es geht um die globale wirtschaftliche Zukunft - ein Reizwort für Kritiker.

Aus Österreich reisen Wirtschaftsminister Martin Bartenstein und Landwirtschaftsminister Josef Pröll an. Aus Deutschland wollen vier Minister unter Führung von Wirtschaftsminister Wolfgang Clement nach Cancun kommen, obwohl eigentlich schon die EU-Kommission handlungsbeauftragt zu Tisch sitzen wird.

Zwischenbilanz

Zu Arbeit und Wohlstand für alle haben sich die 146 WTO- Mitgliedsländer bei der so genannten Welthandelsrunde verpflichtet, die im November 2001 in Doha in Katar begonnen wurde. Nun soll in Cancun Zwischenbilanz gezogen, der Weg für freien und fairen Welthandel geebnet und eine Entscheidung dazu zum 1. Jänner 2005 vorbereitet werden.

Schon jetzt steht nach Meinung von Kritikern fest, dass die armen Länder dieser Welt ihre Vorstellungen besonders über einen freien Agrarhandel nicht werden durchsetzen können. Aber es herrscht vor den Beratungen auch Optimismus, dass die reichen Länder sich den berechtigten Forderungen von zwei Dritteln der WT0-Mitglieder kaum völlig werden widersetzen können.

Zunächst einmal stehen die Industriestaaten im Wort. Sie haben sich nämlich in Doha verpflichtet, die Interessen der Entwicklungsländer stärker zu berücksichtigen. Hinzu kommt, dass die lahmende Weltkonjunktur durch verstärkten Handel angekurbelt wird und positive Zeichen aus Cancun diese Entwicklung schon fördern könnten. Und außerdem sind die Entwicklungsländer stark entschlossen, sich diesmal nicht die Butter vom Brot nehmen zu lassen.

"Gemeinsam sind wir stark", meinte etwa ein afrikanischer Vertreter, nachdem es in Genf gerade zu einer Einigung über den Import preiswert produzierter Medikamente gegen lebensbedrohende Krankheiten gekommen war. Sie nimmt zwar weiterhin Rücksicht auf die Interessen großer Pharmakonzerne zu Lasten der Patienten in den armen Ländern, wie etwa Hilfsorganisationen kritisierten. "Sie zeigt aber auch, dass etwa die USA oder die EU-Staaten auf die Dritte Welt zu gehen können und müssen - in ihrem eigenen Interesse", erklärte ein EU-Vertreter in Genf. "Das ist der Beweis, dass das WTO-System funktioniert und wichtige Ergebnisse bei kritischen Fragen von besonderem Interesse für Entwicklungsländer bringen kann", lobte etwa WTO-Generaldirektor Supachai Panitchpakdi dieser Woche die "historische Einigung" in einem Brief an die Cancún-Ministertagung.

Würden die Forderungen der Entwicklungsländer erfüllt, sähe es für die Landwirtschaft mancher Industriestaaten düster aus, und es wird etwa in der Schweiz das große Bauern-Sterben an die Wand gemalt. Denn noch sind Zölle von mehreren 100 Prozent für Agrareinfuhren aus Drittstaaten möglich. Doch die USA etwa wären mit einer Senkung auf 25 Prozent zufrieden. Auch sollen die milliardenschweren Subventionen für die Landwirtschaft in den westlichen Ländern (etwa 40 Milliarden Euro jährlich in der EU) extrem gekürzt werden. Nur noch fünf Prozent des Produktionswertes sollten zugelassen bleiben, haben die USA und die EU vorgeschlagen. Und letztlich müssten diese Staaten ihre Subventionen für Exporte möglichst halbieren, wozu die EU und die USA für Produkte, die für Entwicklungsländer besonders wichtig sind, innerhalb einer Frist angeblich bereit sind.

Aber bisher sind alle seit Doha gesetzten Fristen für Fortschritte der Doha-Runde verstrichen. Kenner wundert das nicht, wird doch immer bei solchen Verhandlungen bis zuletzt gepokert. Außerdem geht es ja nicht nur um Landwirtschaft: Es stehen noch Erleichterungen im Handel insgesamt, von Investitionen von Ausländern, im öffentlichen Beschaffungswesen oder bei den Zollformalitäten an. Und alles hängt zusammen.

Doch der Schlüssel für einen Erfolg in Cancun liegt in der Landwirtschaft. Und auch etwa ob es der EU-Kommission gelingen wird, Traditionsnamen wie Liebfrauenmilch, Beaujolais, Chianti, Gorgonzola, Ouzo, Champagner oder eben Prosciutto di Parma als geschützte regionale Qualitätsprodukte zu verteidigen. Darin sehen etwa die USA und Kanada eine Marktabschottung - Ergebnis offen. (APA/dpa)