Wolfgang Schüssel ist ein zwar ungeliebter, aber bisher respektierter Kanzler: die Opposition tobt, der Koalitionspartner FPÖ rastet aus - aber der Kanzler bleibt cool und zieht alles durch. Dass er manchmal beträchtliche Abstriche von den ursprünglichen Plänen machen muss (wie etwa bei der Pensionsreform), fällt dabei meist unter den Tisch. Trotzdem: Schüssel vermittelt Stehvermögen und Entscheidungskraft. Das trägt mit Sicherheit zu den relativ guten Werten bei, die die ÖVP immer noch hat (37-38 Prozent gegenüber 42 Prozent bei der letzten Wahl).

Insofern ist Schüssel ein beachtlicher Politiker. Auf der sachlichen Ebene kann man streiten - hat die "Reformpolitik" von nunmehr vier Jahren ÖVP-FPÖ-Regierung wirklich die (Wettbewerbs-)Situation Österreichs verbessert? Eine Bestandsaufnahme wäre vielleicht nicht uninteressant. Jedenfalls hat Schüssel die typisch österreichische Konsenspolitik, deren hervorragendster Vertreter er einst war, komplett über Bord geworfen. Dazu gehört aber auch, dass er reale Probleme ignoriert, eisern weglächelt.

Die Frage ist, welche Politik die Wähler auf Dauer mehr schätzen: das konsequente Drüberfahren und Durchziehen oder den alten österreichischen Konsens. (DER STANDARD, Printausgabe, 6./7. 9.2003)