Cernobbio - In der Debatte um überhöhte Budgetdefizite in der Euro-Zone plant Italien offenbar einen Vorstoß, um Ausnahmen von den Auflagen des EU-Stabilitätspaktes zu erreichen. Finanzminister Giulio Tremonti sprach sich am Sonntag bei einer Konferenz in der norditalienischen Stadt Cernobbio nach Angaben von Veranstaltungsteilnehmern dafür aus, Mitgliedstaaten in gewissem Rahmen Verstöße gegen die Defizitvorgaben zu erlauben, wenn diese mit geplanten Strukturreformen zusammenhängen.

In solchen Fällen sollten den Ländern Budgetdefizite zugestanden werden, die bis zu einem Prozentpunkt höher ausfallen, als es die EU-Obergrenze von drei Prozent vorsieht, schlug Tremonti den Angaben zufolge vor. "Das würde den Ländern dabei helfen, ihre Sozialsysteme zu reformieren, ohne dass die Reformen zu sozialen Unruhen führen", wurde er zitiert.

Tremonti wolle den Vorschlag seinen europäischen Amtskollegen bei einem informellen Treffen vorstellen, das ab Freitag in Italien stattfindet. Das Land hat derzeit die EU-Ratspräsidentschaft inne. Ein Sprecher Tremontis wollte zu den Äußerungen nicht Stellung nehmen.

In der Euro-Zone sorgen vor allem die Budgetdefizite der beiden größten Länder Deutschland und Frankreich für Unruhe. Beide drohen 2004 und damit das dritte Jahr in Folge bei der Neuverschuldung die Obergrenze von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu überschreiten, was zu Strafen in Milliardenhöhe führen könnte. Italien hat seine Defizitprognose für das kommende Jahr um einen halben Prozentpunkt auf 2,3 Prozent angehoben und dies unter anderem mit den geplanten Strukturreformen begründet.

Tremonti hatte bereits am Samstag davor gewarnt, das französische Budgetdefizit, das die Regierung in Paris mit vier Prozent in diesem Jahr erwartet, zu "verteufeln". "Eine Interpretation des Paktes ist nicht notwendigerweise eine Verletzung", hatte der Minister gesagt. (APA/Reuters)