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Abbas hatte keine Chance gegen "Übervater Arafat"

apa/Atef Safadi

Frankfurt/Zürich/Berlin/Moskau - Dass der zurückgetretene palästinensische Premier Mahmud Abbas (Abu Mazen) von Anfang an zum Scheitern verurteilt war, weil ihm die Mittel fehlten, die Radikalen in Schach zu halten konstatieren zahlreiche europäische Blätter in ihren Nahost-Kommentaren.

"Frankfurter Allgemeine Zeitung"

"Am Rücktritt des palästinensischen Ministerpräsidenten überrascht eigentlich nur, dass er erst nach vier Monaten stattfand. Angesichts der aussichtslosen Lage in Palästina hat der Mann erstaunlich lange durchgehalten. Das endgültige Scheitern der Friedensbemühungen unter dem Begriff der 'Roadmap' ist nicht länger zu übersehen - auch wenn Diplomaten dies durch wolkige Erklärungen zu verschleiern suchen. (...) Abbas musste sich gegen einen Mann behaupten, der in der Vergangenheit zwar vieles falsch gemacht hat, aber trotzdem das Idol des palästinensischen Widerstandes bleibt. Haben Israelis und Amerikaner wirklich geglaubt, dies könne gut gehen? Von den radikalen Organisationen konnte Abbas auch nichts erwarten. Vielmehr war er von ihnen abhängig, denn wegen seiner relativ schwachen Position konnte er den Hauptwunsch Israels und der Amerikaner nicht erfüllen: die Extremisten zu einer Abkehr von den menschenverachtenden Selbstmordanschlägen zu bewegen. Als verhängnisvoll erwies sich, dass Premier Sharon, sein 'Partner' auf israelischer Seite, ihm wenig oder gar nicht half. Das symbolische Wegräumen einiger Container in illegalen Siedlungen des Westjordanlandes war zu wenig, als dass es zu einem ermutigenden Erfolgserlebnis für die Palästinenser hätte werden können."

"Neue Zürcher Zeitung"

"Der Rücktritt von Abbas stärkt den ultrarechten und religiösen Parteien in Israel den Rücken, die die Zwangsexilierung von Arafat fordern. Abbas galt in Israel zwar als moderat, aber zu schwach, um sich gegen den Übervater Arafat durchzusetzen. (...) Die israelische Regierung hatte tatsächlich nie große Hoffnungen in Abbas. Auch das Volk nicht. Sharon wollte Abbas allenfalls Zugeständnisse machen, hätte dieser glaubwürdig und vehement den Bombenterror bekämpft. Dazu hätte Abbas jedoch den radikalen Flügel der Hamas und den islamischen Jihad entmachten und entwaffnen müssen. In der israelischen Gesellschaft herrscht Konsens darüber, dass ein Stopp der Selbstmordattentate gegen Zivilisten Voraussetzung für Friedensgespräche ist. Erst dann könne man über die Räumung von Siedlungen und politische Zugeständnisse an die Palästinenser sprechen. Misstrauen und Angst prägen die kollektive Psyche nach drei Jahren blutiger Auseinandersetzung mit den Palästinensern und über 840 israelischen Terroropfern. Abbas galt als eine Friedenstaube mit zusammengebundenen Flügeln."

"Der Tagesspiegel"

"Die internationale Gemeinschaft hoffte, der Palästinenser könne mit Israel Frieden schließen. Doch im eigenen Volk ist er unbeliebt und gilt als Marionette der USA. International galt Abbas als letzte Hoffnung in dem vom Scheitern bedrohten Friedensprozess. (...) Arafat hat offenbar bereits vor einigen Tagen den Parlamentsvorsitzenden Ahmed Korei, genannt Abu Ala, zu Abbas' Nachfolger auserkoren. Wenn politische Beobachter der Roadmap überhaupt eine Chance eingeräumt hatten, dann aus der Hoffnung heraus, dass US-Präsident Bush dieses Mal enormen Druck auf beide Seiten, aber vor allem auf Israel ausüben würde, nachdem er sich nach zweijähriger Abstinenz plötzlich höchstpersönlich für eine Lösung des Konflikts einsetzte. Aus arabischer Sicht wurde die Hoffnung enttäuscht, weil Israel sowohl die umstrittene Mauer auf palästinensischem Boden weiter bauen durfte und auch den Stopp des Siedlungsbaus und den Abbau illegaler Siedlungen hinauszögern konnte."

"Handelsblatt":

"Das amerikanisch-israelische Kalkül, Arafat 'irrelevant' zu machen, ging nicht auf. Damit hatte Ariel Sharon eine willkommene Ausrede, die von ihm in der Roadmap verlangten Schritte immer wieder zu verzögern. Abbas wurde zerrieben, sein Rücktritt nach hundert Tagen im Amt überrascht nicht. Die US-Regierung dürfte ihr Engagement als Vermittlerin im Nahost-Konflikt reduzieren. (...) In Israel wird der Ruf immer lauter, Arafat ins Exil zu schicken. Und Sharon will die Hamas-Führung gewaltsam ausschalten. Die Gewalt wird wieder zur traurigen Routine. Und die Roadmap kann in das bereits umfangreiche Dossier 'Misslungene Friedensversuche' abgelegt werden."

"Die Welt":

"Obwohl auch der israelische Ministerpräsident die Auflage besaß, die ersten Schritte der 'Roadmap' umzusetzen, begnügte er sich mit symbolischen Gesten. Viele Siedlungen, die er räumen ließ, entstanden im Schutze der Nacht neu. Die Hoffnung, dass die Ruhe verbesserte palästinensische Lebensbedingungen schaffen würde, konnte unter diesen Bedingungen nicht greifen. Nur mit Hilfe der Amerikaner hätte sie eine Chance gehabt, verwirklicht zu werden. Doch unter der irakischen Bürde unterließ Präsident Bush weitere Vermittlungsversuche. Außer müden Ermahnungen vernahm man nichts aus Washington. (...) Nur die Amerikaner könnten helfen. Dafür aber müssten sie eine internationale Truppe führen, die für Ruhe und Entspannung zwischen Israelis und Palästinensern sorgt. Im beginnenden amerikanischen Wahlkampf ist dies allerdings so wahrscheinlich wie ein Sommerregen im Negev."

"Iswestija":

"In seiner kurzen Regierungszeit konnte Abbas das Gorbatschow-Syndrom nicht überwinden - er war im Ausland viel beliebter als bei sich zu Hause. Einer Umfrage in jüngster Zeit zufolge sahen nur 1,8 Prozent der Bewohner von Westjordanland und Gaza-Streifen Abbas als 'den Politiker, dem man am meisten vertrauen kann'. Damit lag der Regierungschef auf dem siebenten Platz. An der Spitze stand Arafat mit 21 Prozent." (APA/dpa)