Berlin - Die Zahl der Syphilis-Erkrankungen in Deutschland ist stärker als bislang vermutet gestiegen. Das Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin registrierte im vergangenen Jahr 2.523 Fälle der Geschlechtskrankheit, rund 800 mehr als noch im Jahr 2001. Im Juli hatte das RKI noch von 2.275 Fällen gesprochen. "Die Meldungen an Syphilis-Erkrankungen sind noch einmal neu bewertet worden", erklärte der Mediziner Ulrich Marcus vom RKI die unterschiedlichen Zahlen am Montag. Die Zunahme gehe zum größten Teil auf Infektionen bei homosexuellen Männern zurück.

Im Jahr 2001 war ein neues Meldesystem zur Erfassung der Krankheit eingeführt worden. "Der Anstieg ist aber mit Sicherheit auf einen tatsächlichen Anstieg an Infektionen zurückzuführen und nicht nur auf das neue Meldesystem", sagte Ulrich. In den ersten Monaten des Jahres 2003 setzte sich demnach der Anstieg der Meldungen - mit regionalen Unterschieden - fort. Aus allen deutschen Bundesländern wurden im vergangenen Jahr mehr Fälle als 2001 gemeldet, am stärksten stieg die Zahl in Berlin und Hamburg. Nur 320 bis 330 der gemeldeten Fälle entfielen auf Frauen, sagte Ulrich.

Risikoverhalten

Das deutsche Robert Koch-Institut sieht die Ursache für die Syphilis-Verbreitung in einem zunehmenden sexuellen Risikoverhalten der homosexuellen Männer. Nach Befragungen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) sank der konsequente Kondomgebrauch beim Analverkehr von 76 Prozent im Jahr 1996 auf 70 Prozent im Jahr 2003, erläuterte Ulrich. Darüber hinaus steckten sich viele bei genital-oralen Kontakten ohne Kondom an. Nach Berechnungen des RKI werden zwei Drittel aller in Deutschland gemeldeten Syphilis-Fälle über sexuelle Kontakte zwischen Männern übertragen.

Laut RKI entwickelt sich die Zahl der Infektionen in den meisten westeuropäischen Ländern und den USA ähnlich wie in Deutschland. Insbesondere in den Großstädten stiegen die Syphilis-Zahlen deutlich an, so dass von örtlichen Epidemien die Rede sein könne. Eine sprunghafte Zunahme werde beispielsweise seit 2000 aus Paris gemeldet. Dort liege der Anteil an homosexuellen Männern an den Syphilis-Patienten bei 84 Prozent, davon sei etwa die Hälfte HIV- positiv. Der Anteil von Männern in der Syphilis-Statistik des RKI war nach früheren Angaben bis 2002 auf rund 85 Prozent gestiegen.

Verlauf

Syphilis wird durch das Bakterium Treponema pallidum übertragen. Die Krankheit wird auch Lues genannt, verläuft in verschiedenen Stadien und äußert sich zunächst in einem harten Geschwür. Wochen später schwellen die benachbarten Lymphknoten an. Sechs bis acht Wochen nach der Infektion kommt es bei einem Viertel der Erkrankten zu einem kleinfleckigen Hautausschlag. Jahre später können Nerven- und Gehirnschäden auftreten. Im Gegensatz zu Aids ist Syphilis heilbar. Erst durch Folgeerkrankungen kann es Jahrzehnte später zu Todesfällen kommen. (APA/dpa)