"Diplomatie ist wichtiger denn je. Aber sie muss sich an die neuen Gegebenheiten anpassen", sagte Außenministerin Benita Ferrero-Waldner (V) am Montag bei ihrer Eröffnungsrede zur diesjährigen Presserätetagung im Wiener Funkhaus. Thema des zweitägigen Treffens der Presseräte im diplomatischen Dienst ist die Fragestellung "Diplomatie im Informationszeitalter - ein Anachronismus?". Neben der einhelligen Meinung, dass dem nicht so sei, herrschte bei der anschließenden Podiumsdiskussion auch Übereinstimmung darüber, dass sich die Rahmenbedingungen für die diplomatische Arbeit im Zeitalter weltweiter elektronischer Vernetzung geändert hätten.

"public diplomacy"

Ferrero-Waldner wies in ihrer Rede darauf hin, dass sich die Schwerpunkte diplomatischer Arbeit von bilateraler in Richtung multilateraler Diplomatie und von Geheimdiplomatie zu "public diplomacy" verschoben hätten. Durch die Fülle der Informationen im Zeitalter elektronischer Medien entstehe eine trügerische "Illusion der Vertrautheit". Das Problem dabei sei, dass die behandelten Themen in den Medien oft nur äußerst "verkürzt" dargestellt seien. Die Aufgabe des Diplomaten sei es zu ergründen, was hinter diesen "Halbsätzen" stehe, er müsse den Standpunkt des eigenen Landes erläutern und den Standpunkt des Gastlandes verstehen.

Als große Erfolge der österreichischen Diplomatie in jüngerer Zeit strich die Außenministerin die Freilassung der von einer islamistischen Gruppe in der algerischen Sahara entführten österreichischen Geiseln im Frühjahr oder die Beendigung der EU-Sanktionen gegen die erste ÖVP-FPÖ Koalitionsregierung im Jahr 2000 hervor.

Dieser Erfolgsbilanz widersprach Anneliese Rohrer, Außenpolitik-Chefin der Tageszeitung "Die Presse". Sie vertrat die Meinung, dass die Sanktionen im Vorfeld der Regierungsbildung durch stille Diplomatie auf höchster politischer Ebene "vermeidbar" gewesen wären. Stattdessen sei telefonisch immer wieder gesagt worden, "die FPÖ würden wir nie hereinnehmen". Bettina Roither-Epp, Auslandschefin des ORF-Hörfunks, wertete das Zustandekommen der Sanktionen als diplomatischen Erfolg der EU: "Man war sich sehr schnell einig."

"Irak-Trauma"

Roither-Epp kritisierte, dass im Vorfeld des Irak-Kriegs die hohe Diplomatie "augenfällig gescheitert" sei, was zu einer Spaltung Europas geführt habe. Überdies sei nicht klar gewesen, welche Position Österreich in der Irak-Frage vertrete.

Dieser Darstellung widersprach Karl G. Doutlik, Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich. Österreichs Haltung sei klar gewesen. Das "Irak-Trauma" sei der "Anfang der europäischen Außenpolitik" gewesen. Im EU-Konvent habe man sich in der Folge rasch auf die Position eines EU-Außenministers geeinigt. Doutlik beklagte, dass es in österreichischen Medien kein eigenes EU-Ressort gebe.

Johannes Kyrle, Generalsekretär für auswärtige Angelegenheiten, vertrat die Ansicht, dass ein künftiger diplomatischer Dienst der EU, wie durch den EU-Konvent vorgesehen, die nationalen diplomatischen Dienste nicht ersetzen werde. Die Gewichtung der österreichischen Diplomatie werde sich dann allerdings vor allem in Richtung erweiterte EU, Großmächte und Balkan verschieben. (APA)