Mit den politischen Ergebnissen ist er zufrieden, nur die Probleme könnten "lautloser" gelöst werden, findet Nationalrats- präsident Andreas Khol.

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Wenig Verständnis für nachträgliche FP-Wünsche zur Änderung des Koalitionsabkommens zeigt Nationalratspräsident Andreas Khol (VP). Er wünscht sich von der Regierung eine familienfreundliche Politik und hat die Väter entdeckt. Mit Khol sprach Martina Salomon.

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STANDARD: Was halten Sie vom Frühwarnsystem, das die Koalition installiert hat? Khol: Das ist etwas durchaus Normales, das es eigentlich auch in der großen Koalition gegeben hat.

STANDARD: Wann schaltet sich das System denn ein? Khol: Bei besonderen Sachpunkten, die man im so genannten Koordinationsausschuss frühzeitig auf den Punkt bringen kann.

STANDARD: Hat die ÖVP die Sensibilität der FPÖ beim Thema Voest unterschätzt? Khol: Ich habe da einen anderen Zugang: Wenn etwas im Koalitionsabkommen festgelegt ist, dann ist wenig Platz mehr für einseitige Veränderungen. Man muss sich als politischer Partner auch daran gewöhnen, dass ein Kompromiss nicht der Ausgangspunkt für einen nächsten sein kann.

STANDARD: Es wirkt, als würden die Querelen in dieser Koalition immer so weitergehen. Khol: Einen lebhaften Diskussionsprozess, wo sich auch ein Landeshauptmann einschaltet, hat es in jeder Koalition zu jeder Zeit gegeben.

STANDARD: Aber bei der jetzigen Regierung hat man das Gefühl, sie könnte jederzeit zusammenbrechen. Khol: Ich habe diesen Eindruck nicht. Die Regierungsvorlagen kommen, die Arbeit in den Ausschüssen funktioniert, und das Ergebnis funktioniert auch.

STANDARD: Aber funktioniert es nicht eher so, wie es sich die ÖVP wünscht? Khol: Das ist keine Frage des Wünschens, sondern eines des unterschriebenen Regierungsübereinkommens. Das ist wie ein Handschlag.

STANDARD: Hat die FPÖ keine Handschlagqualität? Khol: Am Ende hat man immer Wort gehalten. Es ist ein Diskussionsprozess. Denken Sie an die große Koalition zurück! Wie oft wurde damals die Eiszeit ausgerufen!

STANDARD: Derzeit weiß man nicht einmal sicher, ob der Vizekanzler bleibt oder geht. Khol: Solche Diskussionen hat es früher auch gegeben. Die ÖVP hat innerhalb weniger Jahre zuerst Mock, dann Riegler, dann Busek und dann Schüssel an der Spitze gehabt.

STANDARD: Fängt jetzt wieder die alte schwarze Disziplinlosigkeit an? Die Landeshauptleute murren schon! Khol: Das würde ich nicht überbewerten. Das ist ein Verlangen nach mehr Information. Vor Wahlen reagieren manche anders.

STANDARD: Meint nicht auch eine zunehmende Zahl Ihrer Parteikollegen, man hätte das schwarz-blaue Abenteuer nicht noch einmal eingehen dürfen? Khol: Im Gegenteil! Alle wissen, dass wir unsere Reformen mit keiner anderen Partei umgesetzt hätten. Die Pensionssicherung, die Privatisierung oder das stufenweise Vorgehen bei der Steuerreform wäre in dieser Form nicht möglich gewesen.

STANDARD: Bei der Steuerreform spießt es sich aber doch? Khol: Natürlich gibt es immer Probleme. Aber die muss man eben professionell und daher lautlos lösen. Man soll Ergebnisse und nicht Probleme verkünden.

STANDARD: Im Sommer ist eine Werte- und Generationendebatte ausgebrochen. Was halten Sie davon? Khol: Die Debatte ist wichtig und soll weitergeführt werden. Um Kinder- und Familienfeindlichkeit zu orten, muss man - wie bei den Behinderten - die gesamte Rechtsordnung nach Diskriminierungen durchforsten. STANDARD: Sind Sie für eine geburtenfördernde Politik? Khol: Als Christdemokrat trete ich für die Familien ein. Nicht nur aus ökonomischen Gründen, sondern weil ich glaube, dass die Menschen in der Familie Erfüllung finden. Den Sinn des Lebens muss aber jeder selbst für sich bestimmen.

STANDARD: In Ländern mit höheren Geburtenraten - etwa Frankreich - gibt es bessere Kinderbetreuungsmöglichkeiten. Ein Vorbild? Khol: Man kann einiges besser machen. Aber die österreichischen Statistiken sind irreführend, weil Tagesmütter und Kindergruppen nicht mitgerechnet werden.

STANDARD: Und was ist mit den Vätern? Khol: Klar ist, dass wir auch im öffentlichen Bereich die Väterkarenz in den Vordergrund stellen müssen. Väter müssen das Bewusstsein erlangen, dass es eine Freude ist, beim Kind zu sein. Das ist ein progressives Modell, an das sich die Männer erst gewöhnen müssen. STANDARD: Vor einigen Jahren haben Sie die Kinder aber noch in der Zuständigkeit der Omas gesehen. Wurden Sie durch Ihre Kinder progressiver? Khol: Ja, und durch die geänderte Realität. Großmütter stehen zunehmend selbst im Beruf, und das muss man zur Kenntnis nehmen. (DER STANDARD, Printausgabe, 9.9.2003)