Während also der Herbst mit verdunkelnder Nässe ins Land zieht, laufen aus den Tickern der heimischen Presseagentur bereits die honorigen Kandidatennamen für die Nachfolge von Emmy Werner. Mag der Ausschreibungstext, für den die Volkstheater-Stiftung als Rechtsträger haftet, auch noch gar nicht veröffentlicht worden sein: Nichts adelt in Wien so sehr die persönliche Ambition wie das Kursieren des je eigenen Namens.
Verlässlich wie stets schlägt im Vorfeld "echter" Demokratie gleich die Stunde der Lobbyisten. Beim nun einsetzenden Erbsenlesen verkommt die Eignungsprüfung für das größte und schönste Wiener Portaltheater - ein so problematisches, chronisch unterdotiertes wie in Wahrheit triumphal chancenreiches Haus - zum niederschmetternden Ausdruck von Dunkelmännertum.
Im gezischelten Ton wechseln Namen mit beschränkter Aussagekraft die stolzen Besitzer. Auf dem Wiener Demokratiemarkt tauscht man die Indizes aussichtsreicher Kandidaten wie Börsennotierungen. Ein fataler Zirkel: Wer endlich glaubt, eine Zukunftsoption ausgemacht zu haben, die er publizistisch bewerben kann, befördert die Aktie mit seiner Schwatzsucht womöglich tief in den Keller - und wird so, natürlich ungewollt, zum Agenten der Baisse.
Das Szenario wäre nicht halb so bedrückend - wenn es nicht die Kunst wäre, die man mit den heimischen Gepflogenheiten und Unarten informeller Politik nachhaltig beschädigt.
Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (SP) hat überdeutlich signalisiert, dass er sich die Entscheidungsfindung als zuständiger Hauptsubventionsgeber nicht einfach machen will. Er sieht sich ganz ohne eigenes Zutun prekären Sachzwängen unterworfen: Mit einem festgefrorenen Jahresetat von 10,3 Millionen Euro soll das Haus an der Zweierlinie im Windschatten der übermächtigen Burg Glanz verbreiten.
Es soll die kommunalen Restangebote gescheit konterkarieren, ohne die anhängliche Klientel vor Ort zu verprellen. Es soll das Erbe der 2005 ausscheidenden Emmy Werner vor Verunglimpfung schützen und zugleich die erhöhte Irritabilität einer sich zusehends spezialisierenden Kundschaft, wie grotesk auch immer, widerspiegeln.
Dazu kommt noch die Bestlage der heiklen Immobilie an der Stirnseite des Museumsquartiers. Mögen die traditionellen urbanen Bindungskräfte auch an Faszination verlieren - im Kulturbezirk sieht man sich, ob nun bauästhetisch befriedigt oder nicht, mit Sicherheit wieder.
Diese Vorhaben alle zu erfüllen, hieße: den Schreinermeister eines leidlich bequemen Sitzmöbels mit der Lizenz zum Beinabsägen auszustatten.
Natürlich hat sich der Stadtrat informell bereits im Ausland umgesehen. Wer wäre fähig und willens, das Kiez-Gespür eines Frank Castorf mit der ehrlichen Sorge um die Tradition zu vereinen? Wer ködert zum Beispiel den Freund elektroakustischer Musik und schlägt doch nicht den ÖGB-Pensionisten mit dessen legitimem Bildungshunger voreilig in die Flucht?
Somit sieht sich Politik auf ihr ureigenes Terrain verwiesen. Da sie nicht lediglich verwalten kann, wenn es doch einzig an ihr ist, sinnvoll zu entscheiden, wird sie den Anspruch an das Volkstheater auch normativ formulieren müssen.