Der Terroranschlag vor zwei Jahren war dafür nicht Auslöser, eher eine schockartige Unterbrechung, die zunächst zu reflexhafter Einigkeit führte; dann jedoch ging eine Entwicklung weiter, die lange vorher begann: je nachdem, wen man fragt, entweder seit dem Aufstieg der Neokonservativen in Washington, seit dem Fall der Berliner Mauer, seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs oder überhaupt seit der Etablierung eines neuen Staatenbundes jenseits des Atlantiks. Bei aller historischen Differenzierung sind sich die meisten Beobachter einig, dass die Kluft zwischen Amerika und Europa größer geworden ist und auf absehbare Zeit nicht verschwinden wird. Näher betrachtet aber weist die Kluft verwinkelte Risse und unerwartete Brücken auf: Alle Rede von dem Europa und den Vereinigten Staaten greift zu kurz. Nur blinde "Ami"-Verächter können die Konflikte ignorieren, die die US-Gesellschaft erschüttern. Jeder unilateralistischen Brandrede aus dem Munde eines in Regierungskreisen wohlgelittenen Neo-Con-Autors wie Bill Kristol steht ein warnender bis beißender Kommentar des Princeton-Ökonomen Paul Krugman gegenüber. Wo Fox-TV oder Fundamentalisten für die Falken Stimmung machen, leisten progressive Kirchenmänner unübersehbar gewaltlosen Widerstand.
In Europa gestaltet sich die Lage insofern noch unübersichtlicher, als die Kontraste nicht nur zwischen Parteien, Medien und Teilöffentlichkeiten eines Landes existieren, sondern auch zwischen den Ländern selbst (bekanntlich zur Freude von Donald Rumsfeld, der das "neue" gegen das "alte" Europa ausspielen will). Tatsächlich sind etwa die Polen laut Umfrage ähnlich US-freundlich gesonnen wie die Japaner, die Deutschen fast so unfreundlich wie die Pakistanis. Nicht zuletzt, und keineswegs unwichtig, gibt es transatlantische ideologische Allianzen - wobei die Kritiker des Bush-Kurses dem Augenschein nach mehr Austausch und Echo haben als die beiderseitigen Befürworter.